Biografie von Reinhold Beer
Reinhold Beer wurde am 13.10.1924 in Waldenburg am Fuße des Riesengebirge in Schlesien geboren. Sein Vater Oswald Beer war Kaufmann. Der Vater hatte zwar Bäcker gelernt, war aber praktisch als Kaufmann tätig. Seine Mitter, Emma Beer, geborene Finster, unterstützte den Vater in allen Dinge. Konnten die Bauern dem Kaufmann Beer einmal die Rechnungen nicht bezahlen, so boten sie ihm und der Familie Kutschfahrten oder im Winter Schlittenfahrten an. An den Wochenenden gab es Spaziergänge zu den Butterbergen oder zur Schillerhöhe. Am Horizont grüßte die Hochwaldruine. Heute steht dort ein Fernsehturm. Mit der Straßenbahn zu erreichen war der gepflegte Park von Bad Salzbrunn, wo man umherschlendern konnte. Auch die etwas entferntere Umgebung im Waldenburger Bergland wie Kynau mit der Kynsburg und das Steinkohlengebiet in Dittersbach mit der Melchiorgrube wurden erkundet. Weitere Ausflugsziele waren Schloss Fürstenbrunn, der Drechselrgrund bei Bad Charlottenbrunn und die Weistritztalsperre. Die malerischen orte Gröbersdorf, Dittmannsdorf, Hausdorf, Feldhauer und Gottesberg im Bergland wurden besucht. Vielleicht wurden durch die vielen Ausflüge schon in der Kindheit eine Reiselust in Reinhold Beer geweckt, die ihn sein Leben lang nicht losließ.
Er wuchs in Schlesien mit einem jüngeren Bruder, Kurt, auf. Der Vater erzog seine beiden Söhne Reinhold und Kurt streng, christlich und antifaschistisch. Die Kinder erlaubten sich doch auch manche Streiche, bis der strenge Vater einschritt. Den Eltern gelang es – mit freundlicher Diplomatie- den Fängen der Hitlerjugend auszuweichen und beiden Jungen eine relativ sorglose Kindheit zu sichern mit den oben erwähnten Spaziergängen und Ausflügen aufs Land oder ins Gebirge. Seine Freizeit nutzte Reinhold Beer mit großem Eifer der Taubenzucht. Nach der Schule (10.Klasse) besuchte er eine Finanzschule in Österreich. Diese für ihn recht glücklichen Jahre unterbrach der Gestellungsbefehl (Einberufung zur Wehrmacht) kurz vor dem Examen. Es war Krieg. Reinhold Beer kam zur Infanterie (Fußtruppe) an die Ostfront. Sein Abschlusszeugnis von der Finanzschule in Österreich erhielt er nachgereicht. Ein Kniedurchschuss beendete die Fronttauglichkeit. Er wurde als Schnellausbilder hinter der „Linie“ (Front) eingesetzt. Als die Front zusammenbrach, geriet er auch in Gefangenschaft, aus der man ihn erst 1948 entließ, weil der russische Lagerkommandant ihn familiär als Kinderbetreuer für unabkömmlich hielt. Seine freundliche, umgängliche Art wurde somit auch in jener mörderischen Zeit erkannt und geschätzt. Schließlich fand er seine Eltern, die zu Verwandten nach Rathenow geflohen waren. In Rathenow lernte er Gerd Köppen kennen, die hier zu Hause war und in der Stadtverwaltung als kaufmännische Angestellte arbeitete. Sie heirateten 1953. 1954 wurde der Sohn Reinhard und 1958 der Sohn Klaus geboren. Reinhold Beer selbst arbeitete als Hauptbuchhalter bei der Rathenower Firma Mertens, Leder und Plaste. Das familiäre Glück dauerte nur zwölf Jahre. Seine Frau starb 1965 an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Reinhold Beer erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch. Sein Schwiegermutter führte in der Zeit den Haushalt. 1967 lernte er Ursula Noetzel kennen, die von der Memel aus Ostpreußen kam. Sie war im Kirchendienst tätig. Sympathie und gemeinsame Interessen verbanden die beiden sofort. So wagte Reinhold Beer 1967 eine zweite Ehe, die über vierzig Jahre bis zu seinem Tode im Jahr 2008 währte. Da Reinhold Beer schon mit sechzig Jahren aus gesundheitlichen Gründen in Rente gehen konnte, war es ihm möglich, jahrelang im Gemeindekirchenrat (GKR) und als Lektor in der evangelischen Kirche in Rathenow mitzuarbeiten. Seine große Leidenschaft galt jedoch den gemeinsamen Reisen mit seiner Frau Ursula. Dabei waren es Kurreisen, die er gern unternahm oder einfach nur in die Ferne. Zunächst ging es in die Heimat nach Schlesien. Ostpreußen konnte erst 1993 besucht werden. Dann gab es Kurreisen nach Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Polen. Es gab Reisen in die Sowjetunion vom Kaukasus bis nach Sibirien sowie nach Zentralasien. Nach 1989 ging es dann nach Italien, Frankreich, Österreich,, in die Schweiz, Holland,, Dänemark, Schweden, wo man sogar eine Nordkapreise unternahm. Besonders zog es ihn gen Süden, in die Türkei, nach Mallorca, Zypern und Malta. Absolute Höhepunkte waren für Reinhold Beer und seine Frau die Reisen nach Ägypten und Israel mit den Stadtbesichtigungen von Kairo und Jerusalem. Aber auch große Rundreisen nach Nordamerika, Japan und China wurden gemacht. Als 1996 der Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. gegründet wurde, trat er am Reformationstag (31.10.19969 sofort diesem Aufbauwerk bei. Später erlaubte die Gesundheit nur noch kleine Ausflüge in Deutschland. Es waren schwere Erkrankungen aufgetreten Hirninfarkte, Leukämie und Osteoporose mit Wirbelbrüchen. Aber selbst in Zeiten seiner schwersten Erkrankungen war seine Reiselust ungebrochen. Bis in die letzten Wochen seines Lebens erfüllte ihn dieses Fernweh, obwohl jede Reise praktisch unmöglich geworden war. Reinhold Beer liebte Gottes bunten Erdball und war dankbar für jeden Tag, wusste er sich doch „ von guten Mächten wunderbar geborgen..“. Er liebte dieses Lied von Dietrich Bonhoeffer. Es gab ihm Trost und Zuversicht bis in die letzten Stunden seines Lebens. Am 25.06.2008 erlag er trotz Behandlung auf der Intensivstation des Krankenhauses einer zweiten Lungenentzündung im gleichen Jahr. Pfarrer Wolf-Eike Schöne fasste bei der Trauerfeier für Reinhold Beer am 04.07.2008 in der Auferstehungskirche in Rathenow alles in dem von ihm so sehr geliebten Gedicht von Dietrich Bonhoeffer zusammen:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Das Leben von Reinhold Beer war ein einziges Dankgebet, so hat er es empfunden und am Tag seiner Beerdigung weinten nicht nur seine Ehefrau, die Angehörigen und die Gemeinde – nein es regnete in Strömen, als die große Trauergemeinde seinem Sarg folgte. Die vielen bunten Regenschirme hätten Reinhold Beer sicher ein Lächeln abgenötigt, denn es war ein selten pittoreskes Bild auf dem Rathenower Weinbergfriedhof. Uns bleibt nur die dankbare Erinnerung an einen liebenswerten, fröhlichen Menschen.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.09.2008