Geschichte des Wunderblutes in Bad Wilsnack
Eingang zur Kristalltherme in Bad Wilsnack
Die Prignitz ist ja nicht weit von Rathenow entfernt und viele Rathenower fahren regelmäßig in die Kristalltherme nach Bad Wilsnack. Es wird berichtete, dass die Bauern in dem kleinen Dorf in der Prignitz im Mittelalter ihrer Arbeit nachgingen. Sie bestellten die Felder und betreuten ihr Vieh und gingen sonntags in die kleine St. Nikolaikirche des Dorfes bis am 16.08.1383 Heinrich von Bülow, ein mecklenburgischer Raubritter, der auch als Feldhauptmann dem schwedischen König und mecklenburgischen Herzog Albrecht III. diente wegen eines Streits mit dem Bischof von Havelberg das kleine Dorf Wilsnack niederbrannte.
Die Bauern und der Priester hatten sich in den Wäldern um das Dörfchen versteckt, um nicht ihr Leben einzubüßen, denn die kriegerischen Auseinandersetzungen war dem Raubritter vorausgeeilt. Aus Furcht den brandschatzenden Kriegern in die Hände zu fallen, traute sich keiner in das Dorf zurück. Als aber am fünften Tag Kuno von Quitzow mit seinen Leuten zu seiner Burg zurückgekehrt war, machten sich einige Leute aus dem Dorf Wilsnack auch auf den Weg, um zu sehen, was die Plünderer übrig gelassen hatten. Welch ein jammervoller Anblick bot sich der kleinen Schar. Alles war niedergebrannt worden. Die Nikolaikirche des Dorfes Wilsnack lag in Schutt und Asche. Es fanden sich noch überall Glutnester und Schwelbrände. Was sie bei ihrer Rückkehr den anderen zu berichten hatten, war nicht sehr erfreulich. Einige Bauern gingen aber sofort in ihr Dorf und suchten in den Brandstätten, ob noch irgendetwas zu retten wäre. An St. Bartholomäus (24.08.1383) wagte sich auch der Priester Johannes Cabbuz zurück ins Dorf und fand seine Kirche nur noch als Ruine vor. Hier und da rauchte es noch in dem Gemäuer. Ein Bauer und der Sakristan hatten sich daran gemacht, die geschmolzene Glocke aus dem Turmschutt heraus zu buddeln. Der Priester weinte, als er den über und über mit Schutt bedeckten Hochaltar sah. Der steinerne Altar war das Einzige, was von der Kirche übrig geblieben war. Aller Zierrat und das Bild der Muttergottes war mit dem einstürzenden Dach zerstört worden. Als aber der Priester Johannes Cabbuz, der Sakristan und der Bauer den Schutt etwas entfernt hatten, fanden sie die kostbare Altardecke fast vollkommen unversehrt vor. Der Stein hatte die Hitze wohl etwas gemildert. Unter dem Schutt fanden sie auch die Leuchter, die wie durch ein Wunder unversehrt waren. Hinter dem Altar fand sich in einer Mauer ein Behältnis, wo in einer Wandvertiefung eine Büchse hinter einer verschlossenen Eisentür aufbewahrt wurde. In dieser Büchse waren drei geweihte Hostien drin, für den Fall, dass ein Kranker das Viatikum (Sterbesakrament) begehrte. Auch lagen in der Wandvertiefung zwei große Wachslichte, die für das letzte Abendmahl eines Sterbenden benötigt wurden. Als der Sakristan die Sachen unversehrt fand, nahm er die Kerzen und zündete sie an einem glimmenden Balken an und stellte sie auf den Altar, den der Priester Johannes Cabbuz wieder hergerichtet hatte und mit der Altardecke versehen hatte. Die beiden brennenden Kerzen in den wiedergefundenen Leuchtern auf dem Altar gaben dem Priester Johann Cabbuz wieder etwas Hoffnung. Als er die Büchse, die in eine kleine Altardecke eingewickelt war, untersuchte, fand er darin die drei unversehrten Hostien, die wie von Blut gerötet waren. In diesem Moment kamen einige Gemeindemitglieder in die Kirche und riefen: „ Ein Mirakel! Ein Mirakel!“ Bald füllte sich die Kirche mit Menschen, die alle über das Wunder erschrocken waren, bis der Priester Johannes Cabbuz in bewegten Worten dem Schutzpatron des Kirchleins, dem Heiligen Nikolaus, dankte für die Errettung aus dieser Not und für das Wunder, was sich an den geweihten Hostien vollzogen hatte. Der Priester Johannes schrieb sofort an den Bischof von Havelberg, um von diesem Wunder zu berichten. Der Bischof von Havelberg, Dietrich II., nahm den Dompropst und den zufällig anwesenden Pfarrer von Alt-Ruppin mit und machte sich sofort auf den Weg nach Wilsnack, um das gemeldete Wunder zu untersuchen. Auch einige Mönche begleiteten den Bischof. Auf dem Weg nach Bad Wilsnack fand der Bischof und seine Begleitung viele Menschen, die nach Wilsnack wollten, denn das Wunder hatte sich wie ein Lauffeuer in den Nachbardörfern herumgesprochen. In Wilsnack gab es einen richtigen Jahrmarkt. Man hatte Laubhütten errichtet und fahrende Händler boten ihre Waren an. Das Getümmel wurde von einem großen Kreuz überragt, das als Zeichen des allgemeinen Friedehaltens früher auf Jahrmärkten aufgestellt wurde. Als Dietrich II. mit seiner Prozession sich der Kirche näherte, machten ihm alle Platz und Pfarrer Johannes stimmte in der Kirchenruine einen Hymnus an, in den alle einfielen. Als der Bischof die Büchse mit den Hostien untersuchen wollte, drängten sich die Menschen so dicht an den Altar, dass zwei wachhabene Bauern sie kaum zurückhalten konnten. Ein altes Mütterchen auf Krücken wurde immer wieder von den anderen abgedrängt. Da warf sie aus Ärger ihre Krücken weg und rannte so nach vorn, wo der Bischof gerade die Hostien herausnahm. Die Umstehenden riefen: „ Ein Wunder!“ und hoben die Krücken der alten Frau in die Höhe. Der Bischof und die Geistlichen bestätigten, dass die drei Hostien frische Blutflecke hatten und bestätigten das Wunder. Die alte Frau wurde vor den Altar gesetzt und berichtete, wie sie die Hostien gesehen habe, sei es wie ein Ruck durch ihren Körper gegangen und seither könne sie wieder gehen. Auch ein andere Mann mit einem lahmen Arm erklärte, als er die Hostien sah, konnte er seinen Arm wieder bewegen. Andere Personen kamen ebenso und bezeugten Heilungen von kleineren Gebrechen. Alles wurde zu Protokoll genommen und der Bischof Dietrich II. von Havelberg ging in der festen Überzeugung fort, dass sich hier ein Wunder ereignet hätte. Der Bischof informierte seinen Vorgesetzten den Erzbischof von Magdeburg sowie die Bischöfe von Lebus und Brandenburg. Und nun war der Pilgerstrom kaum mehr zu bremsen. Die Menschen kamen aus halb Europa, um das Wunderblut in Wilsnack zu sehen. Die Bauern gaben bald ihre herkömmliche Betätigung auf und wurden zu Herbergswirten, denn der Andrang war groß. Papst Urbban VI. gab Wilsnack 1384 einen Ablassbrief, um die Kirche wieder aufzubauen. Die Bauern ließen sich größere und schönere Häuser bauen und mit dem Neubau einer Kirche für die Pilger wurde begonnen. Der Bischof von Havelberg schenkte der Kirche in Wilsnack eine schöne Monstranz, wo in einem herrlichen Kristallbehälter die drei Wunderbluthostien gesetzt wurden. Die Bischöfe empfahlen ihren Gemeinden eine Wallfahrt nach Wilsnack und gaben ihnen je Meile des Weges nach Wilsnack 1 Tag Ablass und wer die Kirche einmal umrundete, erhielt 42 Tage Ablass dafür. Das Wunder sprach sich überall herum und vermehrte den Zulauf der Pilger nach Wilsnack in einem ungeahnten Maße. Der Bischof Dietrich II. von Havelberg verlieh dem Dorf Wilsnack das Stadtrecht. Auch im Winter hatten die Herbergen in Wilsnack Zulauf, weil etliche Personen, die verfolgt oder verbannt wurden, den Heiligen Ort als Asyl ansahen und die Kirche ihnen auch Asyl gewährte. Eine päpstliche Kommission hatte begonnen, das Wunder zu untersuchen und 1403 hatte Johannes Hus, der zur Prüfung des Mirakels eingesetzt worden war, festgestellt, dass sich der lahme Fuß eines Knaben nicht gebessert, sondern verschlechtert habe, dass zwei Frauen, die angeblich ihr Augenlicht in der Wunderkirche wiedererlangt hätten, nie blind gewesen seien usw. Der Havelberger Bischof Konrad von Linthoff setzte sich mit Unterstützung des Kurfürsten von Brandenburg erfolgreich gegen ein von Magdeburg angestrebtes päpstliches Verbot der Wallfahrten nach Wilsnack ein. Aber die Menschen, die nie etwas auf offizielle Mitteilungen gaben, ließen sich nicht beirren und kamen nach wie vor in Scharen nach Wilsnack. Die Sage berichtet, dass ein unterirdischer Gang von Havelberg nach Bad Wilsnack führte und wenn die Pilger in Havelberg, dem vorletzten Ort ihrer Fahrt anlangten, und über ihre Krankheiten und ihre Herkunft sprachen, wurden schnell ein Bote nach Wilsnack geschickt und als die Gläubigen am nächsten Tag dort ankamen, wurden sie mit Namen angeredet und die Priester wussten schon von ihren Gebrechen, was den Menschen wie ein erstes Wunder erschien. Der Stadt Wilsnack brachte das Wunderblut gewaltige Einnahmen, sodass auch eine riesenhafte Wunderblutkathedrale gebaut werden konnte. 1446 wurde mit Zustimmung von Papst Eugen IV. mit der Erweiterung der Wunderblutkirche begonnen. Die Einnahmen sprudelten weiter und machten die Stadt Wilsnack in der Prignitz reich. 1539 kam die Reformation in die Mark Brandenburg und 1552 verbrannte der evangelische Pfarrer Joachim Ellefeld die Hostien. Damit endet das Wunder von Wilsnack und der Pilgerstrom. Wilsnack sank wieder in den Schlaf der Vergessenheit, wenn auch mit einer überdimensionierten Wunderblutkathedrale. Die moderne Wissenschaft meint, es handele sich bei den rot gefärbten Hostien um das rote Pigment Prodigiosin der Bakterien Serratia marcescens, die gern auch Hostien befallen. Aber wie solche Geschichten eben so gehen, sie sind nie zu Ende. Um 1920 fand man in der Umgebung von Wilsnack heilkräftige Erde und richtete ein Moorbad ein. Der Kurbetrieb dümpelte so vor sich hin. Aber nach der Einheit Deutschlands im Jahr 1990 fand man in über 1000 m Tiefe eine 39 Grad warme Sole mit Mineralsalzen und Jod, die heilkräftig für Bronchial- und Atemwegserkrankungen war. Und nun wurde ein großes Thermalbad mit Sauna gebaut und als Edelsteintherme oder Kristalltherme am 01.12.2000 in Betrieb genommen.
Die Menschen strömen wieder von Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt nach Bad Wilsnack, um die heilkräftige Sole am Körper zu spüren und ein Gradierwerk, wo die Sole über Tannenreisig abtropft und eine mineralsalzreiche Luft erzeugt, bringt den Kranken Heilung oder Besserung ihrer Leiden.
Am Himmelfahrtstag 2011 wurde in dem Bad ein Salzsee mit einem Salzgehalt von 24% hinzugefügt. In der Mitte des Salzsees ist ein kleines rundes Gradierwerk errichtet worden, wo die Menschen die Salzluft ganz hautnah einatmen können. Man schwimmt in dem Salzsee nackt, denn die Badesachen werden durch den hohen Salzgehalt schnell zerfressen. Eines spart der Salzsee ganz gewiss.
Außenbereich mit Blick auf die Kuppel des Salzsees
Man braucht nicht mehr nach Israel ans Tote Meer zu reisen, denn in Bad Wilsnack hat man nun auch bei gleich hoher Salzkonzentration die Möglichkeit im Wasser liegend die Zeitung zu lesen. Der Auftrieb ist immens. Die drei Wunderbluthostien des Mittelalters haben wohl doch eine Bedeutung gehabt, denn sie gaben einen diskreten Hinweis auf ein Wunder, das erst nach über 600 Jahren sichtbar zu Tage gefördert wurde.
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß
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