Biografie von Renate Leverenz
Renate Leverenz, geborene Börger, wurde am 30. März 1930 in Heide, der Kreisstadt im Dithmarschen (Schleswig-Holstein) geboren. Ihr Vater war von Beruf Kaufmann, Renate war die Jüngste von insgesamt vier Kindern des Ehepaares Börger.
Von 1936 bis 1939 ging sie in Heide zur Schule; kurz vor dem Beginn des 2. Weltkrieges zog die Familie nach Rathenow. Das hatte zwingende Gründe: Ein Onkel hatte in Rathenow Lebensmittelgeschäfte in der Berliner Straße und in der Jägerstraße (heute Goethestraße)- und wurde zur Wehrmacht eingezogen. Der Vater von Renate Leverenz hatte eine Verwundung aus dem 1. Weltkrieg, die ihn vor einem erneuten Wehrdienst schützte. So war er in der Lage, diese Geschäfte in Rathenow weiterzuführen.
Blick auf die Berliner Straße von der Stadtschleusenbrücke in der Zeit um 1940
Renate Leverenz ist also schon seit über 70 Jahren eine Bürgerin der Stadt Rathenow, hat aber nie die Verbindung zu ihrer alten Heimat aufgegeben und kann manches erzählen von ihren Reisen ins Dithmarsche Land, das längst auch ein beliebtes Touristenziel geworden ist. So besucht sie gern eine alte Klassenkameradin dort und bewohnt dann an die zwei Wochen eine Ferienwohnung in dem Haus Luv in Büsum. Daneben steht, wie könnte es anders sein, das Haus Lee. In diesem Haus verlebte die norddeutsche Volksschauspielerin Heidi Kabel in den siebziger Jahren gern ihren Urlaub. (Noch heute kann man da ein Minirad bewundern, das die berühmte Frau stehengelassen hat.)
Zu DDR-Zeiten waren solche Reisen bekanntlich nicht möglich. Frau Leverenz hat manches Erinnerungsstück aus ihrem langen Leben aufbewahrt, darunter auch ein lapidares Schreiben vom Volkspolizei-Kreisamt Rathenow, in dem eine Reise in ihre alte Heimat ohne Angabe von Gründen abgelehnt wurde.
Für junge Menschen ist eine solche Willkür – zum Glück - heute kaum noch vorstellbar.
Renate Leverenz besuchte ab 1939 die Schule am Weinberg, ihre Klasse bestand aus 40 Kindern. Zusätzlich bekam sie Klavierunterricht, auch sportliche Betätigungen wie Schwimmen, Handball, Rudern und Wandern kamen im Laufe der Jahre hinzu.
1942, mitten im Krieg, kam sie im Rahmen einer sogenannten Kinderlandverschickung in ein Ferienheim an der Ostsee (im heutigen Polen). Das Leben dort war aus heutiger Sicht sehr hart: Fischerkaten, karges Essen, der ganze Tagesablauf war streng geregelt, es wurde Schulunterricht erteilt, viele Arbeiten füllten den Nachmittag aus, auch die Wäsche musste allein gewaschen werden. Das Ganze dauerte vier Monate.
In der dann folgenden Zeit zu Hause in Rathenow wurde das Leben nicht leichter; es fielen Bomben, die Not und die Bedrückung wurden immer größer. Am 05.03.1944 wurde Renate Leverenz in der Lutherkirche in Rathenow von Superintendent Heimerdinger konfirmiert.
Ihr Konfirmationsspruch lautete: Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen (1. Korinther 13,13).
Aus dieser Zeit ist eine Beobachtung des damals 14jährigen Mädchens erwähnenswert. In einem großen Gebäude in der Rathenower Königsheide waren deutsche politische Gefangene kaserniert und wurden für Erntearbeiten eingesetzt. Beim Erdbeerpflücken mussten sie ständig pfeifen … ein heimliches Essen der Früchte war ihnen streng verboten.
1946 erlernte Renate den Beruf einer Anwalts- und Notariatsgehilfin bei dem Rechtsanwalt Picht. (Die Familie Picht ist den Rathenowern seit einigen Jahren auch bekannt geworden als die Optiker, die die Linsen für den Optikpark-Leuchtturm hergestellt hatten.)
Am 17. Juni 1953 war Renate Leverenz an der Seite ihres Chefs auf der Straße gegangen, um gegen die damaligen stalinistischen Zustände zu protestieren. Rechtsanwalt Picht hatte schon seit einiger Zeit keine politischen Strafsachen mehr übernommen. So bekam er denn auch nach der Demonstration einen geheimen Hinweis, dass er auf der Verhaftungsliste stehen würde. Fast ohne Koffer ist er daraufhin nach Westberlin geflüchtet.
Das Rechtsanwaltsbüro wurde geschlossen, Renate Leverenz fand eine neue Arbeit im Rathenower „Ruhlandwerk“ beim Werkleiter Tietze.
Ihren Mann, den Architekten, Klaus Leverenz, lernte sie beim Rudern kennen. Nach der Heirat, am 19.05.1956 in der Lutherkirche, lebte das Ehepaar zunächst sehr beengt in einer kleinen Wohnung. Das änderte sich, als die Kinder geboren wurden: 1957 der erste Sohn, 1959 der zweite, 1961 kamen Zwillinge zur Welt; ebenfalls Jungen. Dann erst konnte „endlich“ ein Mädchen in der Familie begrüßt werden.
Als in der Forststraße dann eine geräumige Neubauwohnung (mit Bad!) bezogen werden konnte, so erinnert sich Renate Leverenz lachend, hatte diese Wohnung auch eine nicht zu unterschätzende „strategische“ Bedeutung: Man konnte von dort beobachten, wann der Obst- und Gemüsehändler Herd beliefert wurde und so die seltene Chance nutzen, frische Ware zu kaufen. Während Renate Leverenz sich um das Wohl ihrer großen Familie kümmerte, leitete ihr Mann den Bereich „Projektierung“ im Kombinatsbetrieb am Ebertring. Obwohl parteilos, hatte er dank seiner unermüdlichen Einsatzbereitschaft einen großen Verantwortungsbereich. Zur „Wendezeit“ arbeitete er im „Neuen Forum“ mit. Renate Leverenz erinnert sich noch gut an die Zusammenkünfte in der Lutherkirche und an die unzähligen Menschen, die auf der Straße mit Kerzen in der Hand eine neue Zeit einleiteten. Klaus Leverenz hat noch als Rentner in seinem Beruf angestrengt gearbeitet. 1994 erlitt er bei der Heimfahrt von einer Dienstreise einen tödlichen Unfall. Am 01.07.2010 trat Renate Leverenz dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bei. Sie ist auch Mitglied im Verein Memento. Sie ist nach wie vor vielseitig beschäftigt: Sie besucht Kultur- und Musikveranstaltungen, geht regelmäßig zum Schwimmen – und freut sich über sechs Enkel. Im Alter kam doch eine kognitive Störung hinzu, die dazu führte, dass sie in der Seniorenresidenz der Volkssolidarität ihren Wohnsitz nahm. Am 30.03.2023 feierte sie dort ihren 93. Geburtstag und war wie immer fröhlich und guter Dinge.
Renate Leverenz am 30.03.2023
Renate Leverenz in der Seniorenresidenz
30.03.2023
Am 12.02.2024 nahm Gott der Herr, gelobt sei sein Name, Renate Leverenz zu sich. Die Trauerfeier fand im engsten Familienkreis statt.
Spenden im Gedenken an Renate Leverenz
1. Viola und Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 20,00 €
2. Hartmut Fellenberg, 20,00 €
Copyright: Peter Kurth und Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 17.02.2024