Biografie von Frank Richter
Frank Richter wurde am 28. 02. 1931 in Leipzig geboren. Er wuchs als ältester von vier Geschwistern in Böhlitz-Ehrenberg bei Leipzig auf. Die Mutter und der Vater arbeiteten in einer großen Exportfirma. Er besuchte die Helmholtz-Oberschule in Leipzig bis zur 9. Klasse , musste wegen der Wirrnisse bei Kriegsende den Schulbesuch abbrechen und trat in das väterliche Geschäft ein. Hier absolvierte er die Lehre zum Industrie- und Großhandelskaufmanns. 1952 begann er eine Tätigkeit als Buchhalter in der damaligen Handelsorganisation (HO). Von 1954 bis 1958 besuchte er die Fachhochschule für Theologie und Diakonie in Moritzburg bei Dresden und wurde am 24.05.1959 zum Diakon eingesegnet. Danach war Frank Richter zwei Jahre in der Kirchengemeinde Leipzig-Tabor in der Jugendarbeit tätig. Am 2. Mai 1960 wurde er in das Gemeindepfarramt Nitzahn (Kreis Rathenow) mit vier Filialorten als Pfarrdiakon berufen. Dort diente er den Gemeinden 33 Jahre bis zu seiner Pensionierung am 2. März 1993. Die Familie zog im gleichen Jahr von Nitzahn nach Rathenow um. Am 14. August 1958 heiratete er Christlinde Schröder. Herr Richter ist Vater von drei Kindern, Jörg-Martin, Anne-Kathrin und Mechthild. Bei einem Besuch in Bethel im Jahre 1992 lernte die Familie die Angehörigenarbeit in Bethel kennen und war so fasziniert, dass sie beschloss, am Wohnort eine Angehörigenselbsthilfegruppe zu gründen. Dabei wurde Herrn Richter bewusst, dass die meisten Angehörigen auf den Kontakt mit ebenfalls Betroffenen, auf deren Unterstützung sowie Erfahrungsaustausch mit ihnen angewiesen sind. Ebenso wurde ihm deutlich, wie schwer es ist, die eigene Isolation oder gar die Stigmatisierung (Brandmarkung) durch die Gesellschaft zu überwinden. Frank Richter gründete am 25.11.1993 den "Landesverband Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." in der Sternkirche in Potsdam und wurde zum Vorsitzenden gewählt. Seine Frau Christlinde Richter unterstützte ihn dabei nach Kräften.
Christlinde und Frank Richter in ihrerm Haus in Steckelsdorf
Er hatte in einer Vorbereitungsphase umfassende Kontakte zu den 1993 bestehenden 45 Gesundheitsämtern des Landes Brandenburg, zur Landesregierung und zu Beratungs- und Betreuungsstellen für psychisch Kranke aufgenommen. Die Landesregierung unterstützte die Initiative des Herrn Richter. Bei der Gründung waren ca. 30 Mitglieder anwesend. Zweck des "Landesverband Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V " ist entsprechend seiner Satzung der Zusammenschluß der von psychischen Krankheiten und Behinderungen betroffenen Familien auf Orts- und Landesebene, um durch gemeinsame, solidarische Anstrengungen die Verbesserung der Lebensbedingungen der Familien bzw. behinderter Familienmitglieder zu erreichen. Das Ziel ist die Stärkung der Selbsthilfe der Familien psychisch Kranker und Behinderter durch Bildung von Angehörigengruppen auf örtlicher Ebene. Die rechtliche Gleichstellung der psychisch Kranken mit körperlich Kranken wird hier schon genannt, um Diskriminierungen und Vorurteile abzubauen. Gleichzeitig wird eine gemeindenahe Psychiatrie sowie die Integration der Kranken und ihrer Familien in Beruf und Gesellschaft als Ziel formuliert. Im Vorstand ist es dem Vorsitzenden gelungen, die Vorstandsmitglieder über das übliche Maß hinaus zu motivieren, folgende Aufgaben zu übernehmen: Die Vorstandsmitglieder haben einen Reisedienst zum Besuch der Selbsthilfegruppen des Landes eingerichtet. Aus den den Gruppen können dadurch Informationen und Problemstellungen direkt an den Vorstand gegeben werden, der sie aktuell bei seiner Arbeit berücksichtigen kann. Den einzelnen Vorstandsmitgliedern ist es auf diesem Weg möglich, eilige Informationen an die Mitglieder im persönlichen Gespräch zu vermitteln. Der "Landesverband Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." ist Mitglied im Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker und im Länderrat der Angehörigen psychisch Kranker. Der Vorsitzende des "Landesverband Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V.", Frank Richter, hat Wert darauf gelegt, dass bei den Beratungen des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker und des Länderrates der Angehörigen psychisch Kranker die Vertretung des Brandenburgischen Verbandes jeweils durch ein anderes Mitglied des Vorstandes erfolgt, damit der gesamte Vorstand in die bundesweiten Aktivitäten einbezogen werden kann. 1999 zählt der Verband 91 Mitglieder. In den ersten Jahren war die vordringlichste Aufgabe des Verbandes die Unterstützung von Gründungen der Angehörigenselbsthilfegruppen im gesamten Land Brandenburg ( der Bedarf war riesig). Es gibt jetzt 55 Angehörigenselbsthilfegruppen im Land Brandenburg. Die Befriedigung des Informationsbedürfnisses wurde über ein Mitteilungsblatt (Rundbriefe) erfüllt (Auflagenhöhe 380). Der Initiative von Frank Richter ist es zu verdanken, dass sich so zahlreiche Angehörigenselbsthilfegruppen im Land Brandenburg gebildet, und dass sie sich im Landesverband zusammen geschlossen haben. Frank Richter knüpfte auch Kontakte mit Behörden, den zuständigen Politikern, den zuständigen Gesundheitsausschüssen und den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften, deren aktives Mitglied er selbst ist. Bei der Psychiatrieplanung des Landkreises Havelland wurden wesentliche Bereiche durch Herrn Richter mit geprägt. Wichtig war auch seine Zuarbeit für den Gesundheitsausschuß des Brandenburger Landtages zur Vorbereitung des Brandenburgischen Psychisch Krankengesetzes, wo auch bei einer Anhörung sein persönlicher Beitrag gefragt war. Auf den Landesselbsthilfetagen im Land Brandenburg und bei gesundheitspolitischen Tagungen sowie auf den Fachtagungen in der gesamten Bundesrepublik und auf dem Weltkongreß für soziale Psychiatrie wurden durch Frank Richter Belange der Angehörigen des Landes Brandenburg vertreten. Das Bemühen von Frank Richter ist es, im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern der Sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheitsämter und besonders mit den niedergelassenen Nervenärzten und Allgemeinmedizinern im Land Brandenburg die Tätigkeit des Landesverbandes zu erläutern und sie zur Mitwirkung in der Arbeit der Selbsthilfegruppen "Angehörige psychisch Kranker" zu bewegen. Das Beratungstelefon, dass der Verbandsvorsitzende, Frank Richter, betreibt, wurde seit der Gründung stark in Anspruch genommen. Durch den engen Kontakt des Vorsitzenden und seiner Ehefrau zu den Selbsthilfegruppen im Land wird er oft als Krisensofortberatungsdienst genutzt. Die Telefongespräche sind inzwischen zu einem Arbeitspensum von ca. 1-2 Stunden pro Tag geworden. Der Arbeitsumfang für den Vorsitzenden ist durchschnittlich mit 10 Stunden pro Tag auszumachen. Auf den Tagungen und in Ausstellungen, die von Frank Richter organisiert wurden, konnten die Betroffenen und die Öffentlichkeit umfangreiche Informationen erhalten.
Tagungen
Es war das erklärte Ziel des Verbandes auf seinen Fachtagungen Informationen, Erfahrungsaustausch und Kontakte zwischen den Angehörigengruppen und Einzelpersonen voran zu bringen. Ein wesentlicher Aspekt bei den Fachtagungen war die Fortbildung der Angehörigen durch hochrangige Experten aus dem In- und Ausland.
Die erste Tagung fand 1994 statt und hatte 83 Teilnehmer. Die Tagungen wurden seither jedes Jahr wiederholt und fanden seit 1995 in den Ruppiner Kliniken GmbH in Neuruppin statt. Die Dauer der Tagungen war auf zwei Tage festgelegt und hat inzwischen durchschnittlich 150 Teilnehmer von Angehörigen psychisch kranker Menschen im Land Brandenburg. In jedem Jahr waren auch Sozialarbeiterinnen aus den verschiedensten Bereichen und Betroffene aus dem Land Brandenburg zu den Tagungen gekommen. Frank Richter knüpfte auch bundesweit und international Kontakte:
1994
zu Professor Dr. Heinz Katschnig aus Wien, der am 28.10.1994 einen Vortrag auf der Landesfachtagung des "Landesverbandes Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." in Neuseddin/Potsdam über das Thema "Angehörige und Betroffene im Aufbruch ! Unter anderem: "Was ist Schizophrenie ?" hielt,
1995
zu Professor Dr. Asmus Finzen aus Basel, der am 02.09.1995 auf der Landesfachtagung des "Landesverbandes Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." in Neuruppin einen Vortrag über "Schwierigkeiten im Umgang mit - und bei der Behandlung von psychisch Kranken" hielt,
1996
zu Professor Dr. med.Tedy Hubschmid aus Bern, der am 04.10.1996 in Neuruppin auf der Landesfachtagung des "Landesverbandes Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V."
einen Vortrag über " Wie sieht 1996 eine gute Schizophreniebehandlung aus ?" und
zu Priv.-Doz. Dr. Eikelmann, Leitender Arzt der Westfälischen Landesklinik für Psychiatrie in Münster (Nordrhein-Westfalen), der auf der gleichen Landesfachtagung einen Vortrag über das Thema "Anteil und Wirkung von Tätigkeit bei der Gesundung und Rehabilitation von psychisch Kranken " hielt,
1997
zu Dr. med. Mecklenburg, Leiter der Klinik für Psychiatrie in Gummersbach (Nordrhein-Westfalen), der auf der Landesfachtagung des "Landesverbandes Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." am 26.09.1997 in Neuruppin einen Vortrag über " Medizinische und beruflich/soziale Rehabilitation aus einer Hand ?" hielt,
1998
zu Professor Dr. med. Matthias C. Angermeyer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Leipzig, der auf der Landesfachtagung des "Landesverbandes Brandenburg - Angehörige psychisch Kranker e.V." am 25.09.1998 in Neuruppin einen Vortrag über das Thema "Die Lebensqualität von Angehörigen und Betroffenen" ,
zu Chefarzt Dr. med. Josef Bäuml, Psychiatrische Klinik rechts der Isaar, Technische Unisversität München, der auf der gleichen Landesfachtagung einen Vortrag über das Thema "Lebensqualität durch Einbeziehung der Angehörigen in Therapie und Rehabilitation" und
zu Professor Dr. Dirk Fabricius, Jurist und Psychologe an der Universität Frankfurt a. M., der auf der gleichen Landesfachtagung einen Vortrag über das Thema "Beratungspflicht trotz ärztlicher Schweigepflicht" hielt.
Herr Frank Richter hat es mit der Bewältigung seines eigenen familiären Schicksals nicht bewenden lassen, sondern hat auf vielfältige und unermüdliche Weise weit darüber hinaus auch die Sorgen und Nöte anderer Betroffener gesehen, und manchmal - bis an die Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit - sich ihrer angenommen. Am 11 Juni 2001 überreichte der Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg, Alwin Ziel, im Auftrag des Bundespräsidenten in Potsdam an Frank Richter das Bundesverdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland.
Frank Richter trat am 13.07.1997 dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. bei, weil im der Wiederaufbau des Gotteshause am Herzen lag.
Christlinde und Frank Richter mit einer Spendenurkunde vor dem Haus in Steckelsdorf
Am 06.07.2009 nahm Gott ihn in seine ewige Herrlichkeit zu sich. Der Tod eines geliebten Menschen ist die Rückgabe einer Kostbarkeit, die uns Gott nur geliehen hat, schrieb seine Frau Christlinde in der Traueranzeige.
Grabmal von Pfarrer Frank Richter auf dem Weinbergfriedhof in
Rathenow
Sie zog nach dem Tode ihres Mannes aus dem gemieteten Häuschen in Rathenow-Steckelsdorf aus und wohnte in einer kleine Stadtwohnung in der der Nähe der Seniorenresidenz der Volkssoliraität in der Berliner Straße 30. Dort wurde sie von ihrer Tochter Anne und den übrigen Kindern umsorgt.
Christlinde Richter in Rathenow, Berliner Str. 30
30.03.2023
Nachrufe
1. Nachruf von Dr. med. Heinz-Walter Knackmuß Amtsarzt a. D. im Havelland
2. Nachruf von Manfred Zastrow
3. Nachruf von Professor Dr. Peter Stolz
© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß 30.03.2023