Biografie von Joseph Hermann Tressel
Hermann Joseph Tressel wurde am 17.09.1932 in München geboren. Der Vater Franz Joseph Tressel war Maschineningenieur und stammte aus Lautrach bei Memmingen im Allgäu. Die Mutter, Maria Anna Theresia Tressel, geborene Pensberger, war Hausfrau und stammte aus Bad Tölz. Hermann Tressel wuchs mit seiner älteren Schwester Wilma auf, die die Eltern adoptiert hatten.
Wappen der Familie Tressel
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
im Haus der Familie in Rathenow
Der Vater wurde 1934 nach Rathenow in die Landmaschinenzentrale am Viertellandsweg versetzt. So kam die Familie nach Rathenow, was für die adoptierte Schwester gut war, da sie Halbjüdin war und dadurch der Verfolgung besser entzogen werden konnte. Seine Schwester Wilma ging aber 1939 wieder nach München zurück und starb 2006. Die Familie verlebte bis zum Ende des zweiten Weltkrieges jeden Urlaub in Bayern, um Verwandte und Bekannte zu besuchen und die heimatlichen Wurzeln zu pflegen.
Stadtansicht von Rathenow nach einem alten Stich
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
im Haus der Familie in Rathenow
Hermann Tressel wurde in Rathenow zunächst in die Hagenschule (heute Feuerwehr) eingeschult und wechselte dann zur Jahnschule. Ab der 5. Klasse besuchte er das Gymnasium in der Schleusenstraße und legte hier 1952 verspätet durch die Kriegswirren das Abitur ab. Man hatte noch versucht ihn 1945 zum Volkssturm einzuziehen. Die schnell fortschreitenden Kriegsereignisse machten aber einen Einsatz nicht mehr erforderlich. Hermann Tressel war katholisch erzogen und aufgewachsen. Er wurde natürlich auch durch den Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Georg in Rathenow, August Fröhlich, geprägt. August Fröhlich war von 1937 - 1941 als Pfarrer in der Katholische Gemeinde St. Georg in Rathenow eingesetzt. Er hatte sich unerschrocken gegen Misshandlungen der Zwangsarbeiter in der optischen Industrie in Rathenow gewandt und wurde am 22.06.1942 im Konzentrationslager Dachau ermordet. Nach der Nazidiktatur fielen dem so politisch gebildeten jungen Tressel natürlich die Ähnlichkeiten einer kommunistischen Diktatur mit dem von den Kommunisten ideologisch bekämpften Naziregime auf. Hermann Tressel war, wie Maria Meuß, die Tochter eines Rathenower Pfarrers, nicht in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), was bedeutete, dass man in Staatsbürgerkunde eine fünf erhielt und das Abitur nicht bestanden hatte. Erst der neue Direktor, Dr. Heinz Schirrholz, schaffte diese diskriminierde politische Praxis ab, sodass beide das Abitur bestanden. Hermann Tressel wollte Medizin studieren und Missionsarzt werden nach dem Vorbild von Albert Schweitzer. Eine Zusage für einen Studienplatz in Regensburg hatte er ab 1953. Erdmann Bogisch, sein Musiklehrer, riet ihm aber, Musik zu studieren. Hermann Tressel hatte auf Betreiben seiner Mutter schon als Kind Violine spielen gelernt und musste nun innerhalb von sechs Wochen noch Klavier lernen, damit er an einer Aufnahmeprüfung am Institut für Musikerziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin teilnehmen durfte. Hermann Tressel bestand die Aufnahmeprüfung und studierte ab 1952 Schulmusik am Institut für Musikerziehung der Humboldt-Universität zu Berlin bei Professor Dr. Friedrich Graupner.
Professor Graupner war ein exzellenter Musikpädagoge und die Studenten mussten acht Semester studieren, wenn sie an der Oberstufe unterrichten wollten oder sechs Semester, wenn sie an der Mittelstufe unterrichten wollten. So studierte Hermann Tressel von 1952 -1956 acht Semester an diesem Institut und erhielt Einzelunterricht bei den Dozenten. Es war eine unpolitische Ausbildung, weil die Musik im Vordergrund stand. Nachdem Prof. Graupner 1955 in den Westen geflohen war, wurde auch der Unterricht politisiert. Der Nachteil dieser hochqualifizierten Ausbildung war, dass man nur Musik studieren konnte und kein zweites Lehrfach angeboten wurde. So gingen dann auch die meisten Absolventen nach dem Studium zu den Rundfunkanstalten und nur zwei seines Jahrgangs wurden wirklich Musiklehrer. Während der Studentenzeit hatte er sich immer mit Musikunterricht an verschiedenen Schulen in Berlin etwas dazu verdient und kannte den Schulbetrieb mit allen Höhen und Tiefen. Im Gegensatz zu den meisten Kommilitonen war er dadurch fit für den Schulunterricht. Er hatte auch zwei Chöre geleitet, den Chor am Außenministerium der DDR und den Chor der Fachschule der Bibliothekare in Berlin und besserte so sein knappes Stipendium auf. Er hatte mit seiner Frau Helga für sich beschlossen, 1955 auch nach Bayern zu gehen. Er wollte natürlich seine Eltern mitnehmen. Die in Bayern lebenden Schwester Wilma fürchtete aber familiäre Belastungen für sie, sodass die Familie doch von einer Flucht in die alte Heimat Abstand nahm. Nach dem Staatsexamen musste er sich verpflichten, nach Sondershausen zu gehen, bekam aber dort keine Wohnung. So kam er 1956 doch nach Rathenow und sollte in Premnitz arbeiten, kam aber durch glückliche Umstände und mit Unterstützung des Direktors der Erweiterten Oberschule Dr. Heinz Schirrholz mit einer halben Stelle zur Oberschule und mit einer halben Stelle an die Bruno- H.- Bürgelschule nach Rathenow.
Bismarckturm auf dem Weinberg in Rathenow
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
im Haus der Familie in Rathenow
Ab dem zweiten Jahr arbeitete er dann nur noch an der Erweiterten Oberschule " Karl Marx" in Rathenow. Er unterrichtete auch Latein bis zum Abitur, nahm aber, als das Fach zurückgefahren wurde, als Zweitfach Russisch. Durch die Forderungen des russischen Kommandanten gründete er die Musikschule für russische Kinder und unterrichtete mit seiner Frau, mit Lisa und Dieter Sanselzon als Vertragslehrer jeden Nachmittag die Kinder der Offiziere der russischen Garnison in Klavier, Bajan, Akkordeon und Gitarre. Seinen Russischkenntnissen tat das gut und es brachte neben dem schmalen Salär als Musiklehrer noch eine Aufstockung der Familienkasse. Im Fernstudium holte er bis 1972 in Potsdam das Staatsexamen als Russischlehrer nach und konnte nun regulär zwei Fächer an der Erweiterten Oberschule " Karl Marx" unterrichten. 1956 trat er der Christlich Demokratischen Union (CDU) bei. Die CDU-Kreissekretärin Conrad hatte vor seiner Aufnahme erst bei der SED-Kreisleitung angerufen und die Zustimmung eingeholt. Die CDU war damals noch nicht gleichgeschaltet und wandte sich noch gegen die Jugendweihe. Hermann Tressel engagierte sich hauptsächlich für die Kultur. Er erinnerte sich, dass er in Potsdam nachfragen musste, ob er christliche Weihnachtslieder singen durfte und erhielt die Antwort, christliche Weihnachtslieder könne er schon singen lassen, nur keine Kirchenlieder. Er war auch Abgeordneter im Rathenower Stadtparlament. Schon früh hatte er den Chor der Rathenower Katholischen Gemeinde St. Georg geleitet (1951-1958) und spielte auch zeitweise Orgel zu den Gottesdiensten in der Katholischen Kirche St. Georg in Rathenow. Lilian Schmidt hatte den Karl-Marx-Chor gegründet, der aus Schülern der Karl-Marx-Oberschule entstanden war, aber ein Eigenleben entwickelte. Ihr Vater, der so genannte Milchschmidt, war eine Kulturgröße in Rathenow und spielte in einem komischen Theaterstück "Alwin der Letzte" erfolgreich die Hauptrolle, in dem es um Probleme in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) ging. Er gehörte auch der CDU an. Nach Lilian Schmidt übernahm Dieter Nachtigall die Leitung des Karl-Marx-Chores, der später in Trägerschaft der FDJ-Kreisleitung überging. 1956 gründete Hermann Tressel den Chor der Erweiterten Oberschule " Karl Marx" und wurde so zu einer Konkurrenz zum etablierten Karl-Marx-Chor. Der Direktor Dr. Heinz Schirrholz forderte aber die Neugründung, weil er seinen eigenen Schulchor wollte. Obwohl er anfänglich noch liberale Auffassungen vertrat, wurde er nach dem Bau der Mauer 1961 ziemlich engstirnig gegenüber dem Lehrerkollegium. Am Ende der 50iger Jahre löste sich dann der Karl-Marx-Chor von selbst auf, weil kein Nachwuchs mehr kam. Es bahnten sich aber für den Chor der Erweiterten Oberschule " Karl-Marx" in den siebziger Jahren erneut Gefahren durch die neu entstehenden Singegruppen an, die im Gegensatz zum Chor als politisch zuverlässig galten. Der Chor spielte im kulturellen Leben der Schule und der Stadt eine bedeutende Rolle. Trotzdem wurde er nur duch einen Zufall gerettet. Prof. Grüttner bekam den Auftrag einen zentralen FDJ-Chor als Ensemble aufzubauen. Der Chor der Erweiterten Oberschule "Karl Marx" in Rathenow konnte da mitwirken und brachte so alle politischen Gegner zum Schweigen. Das zentrale Chorensemble scheiterte 1984 an der Abschaffung der Vorbereitungsklassen (9. und 10. Klasse),sodass die Schüler nur noch zwei Jahre im Chor singen konnten. Doch der Chor der Karl-Marx-Oberschule überbestand auch diese Zeit und wurde nach der Einheit Deutschlands in Dunckerchor und später in Schulchor des Jahngymnasiums umbenannt.
Kreisverwaltung in Rathenow
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
im Haus der Familie in Rathenow
Die Chöre haben es Hermann Tressel angetan. 1954-1956 leitete er den Männerchor in Neufriedrichsdorf in Rathenow. 1957 übernahm er den Gesangverein in Milow und 1958 den Chor in Mögelin. Beide Chöre führte er im nachfolgenden Jahrzehnt zusammen und leitete sie bis 2005 als Chorvereinigung Milow-Mögelin. Die Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) Duncker hatte Helga Tressel 1974 engagiert, um einen Chor aufzubauen. 1982 übernahm der Ehemann Hermann Tressel diesen Chor und leitet ihn noch heute als Frauenchor Rathenow e.V..
1953 hatte er sein spätere Frau Charlotte Erna Helga Böhme während seines Musikstudiums kennengelernt. Sie hatte ein Jahr nach ihm am Institut für Musikerziehung der Humboldt-Universität zu Berlin ein Studium zur Musiklehrerin für die Mittelstufe begonnen und war somit gleichzeitig mit ihm fertig. Am 20.07.1955 heirateten beide. Am 16.11.1956 wurde Regina Maria Tressel, am 24.08.1960 Monika Sabine Tressel und am 24.10.1965 Silvia Martina Tressel geboren.
Haus der Familie Tressel in Rathenow
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
Die Familie reiste gern und viel. Vor der Einheit Deutschlands wurden fast alle osteuropäischen Länder bereist und nach der der Einheit die westeuropäischen.1997 ging Hermann Tressel in den Ruhestand, war aber immer engagiert als Stadtverordneter der CDU und als leidenschaftlicher Chorleiter. Die Höhepunkte seiner beruflichen Laufbahn sind schon die Chorkonzerte gewesen, die auch für ihn Glanzpunkte seines Lebens waren. Er fühlt sich in der märkischen Landschaft wohl und liebt die Weite des Landes. Er kam auch mit seiner katholischen Lebensweise hier gut zurecht, wenngleich er den Glanz in den Kirchen und bei den Messen im Lande seiner bayrischen Vorfahren nicht fand.
Hermann Tressel ist ein sehr praktischer Mensch und handwerklich begabt. Er hat viele schöne Intarsienarbeiten aus Holz in seinem Haus selbst angefertigt und liebt auch die Gartenarbeit. Das Wichtigste in seinem Leben war und ist aber die Musik. Sie begleitet ihn durch alle Höhen und Tiefen seines Lebens. Viele Schülergenerationen sind durch seine musikalische Ausbildung geprägt worden und haben ihre Liebe zur Musik durch ihn entdeckt. Auf den Chorfesten in Rathenow wird er als ein Nestor des musikalischen Lebens in Rathenow gefeiert und gewürdigt. Er ist eine prägende Figur im kulturellen Leben der Stadt Rathenow und des Landkreises gewesen und leitet ja heute noch den Frauenchor zur Freude der Sängerinnen und der Zuhörer bei den Konzerten.
Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow
Intarsienarbeit in Holz von Hermann Tressel
im Haus der Familie in Rathenow
Am 01.08.2006 trat er dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bei, weil er als CDU-Stadtverordneter den anderen Abgeordneten zeigen wollte, dass er sich für den Wiederaufbau des Wahrzeichens der Stadt Rathenow engagiert und ihnen ein Zeichen zur Nachahmung geben wollte. Am 15.09.2012 gab der Frauenchor Rathenow unter dem Dirigat von Hermann Tressel ein
in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche aus Anlass des 60jährigen Chorleiterjubiläums von Hermann Tressel. Als Gastchöre waren der Burger Volkschor und ein Gesangsensemble aus Schönebeck geladen. Das Konzert war nicht nur dem 60jährigen Chorleiterjubiläum gewidmet, sondern stellte auch eine Hommage zum 80. Geburtstag am 17.09.2012 dar.
Herrmann Tressel am 17.09.2012
mit Ehefrau und Enkelin
in der kleinen Idylle des Tresselschen Hausgartens
Am 04.08.2014 starb Hermann Tressel in Rathenow kurz vor Vollendung seines 82. Lebensjahrs.
Am 25.02.2015 überreichte ihm die Vorsitzende des Kulturausschusses, Karin Dietze, im Auftrag der Stadt Rathenow posthum den Kulturförderkreis 2014, der mit 500,00 € dotiert ist. Seine Witwe, Helga Tressel, nahm die Auszeichnung tief bewegt an. Hermann Tressel hat mi seinem Wirken als Musiklehrer und Chorleiter sowie als Abgeordneter im Stadtparlament das musikalische Leben in der Stadt Rathenow geprägt und beeinflusst. Kurz vor seinem Todes gab er noch ein schönes Konzert mit dem Frauenchor in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow. Hermann Tressel hatte 1945 in Buckow (Nennhausen) bei einen Ausflug im Schutt eine altes Messbuch von 1516 gefunden, dass er ordentlich restaurieren ließ und 2010 an Dr. Uwe Czubatynski, dem Leiter des Domstitfarchivs in Brandenburg, übergab.
© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 28.12.2018