2-127 Öffentliche Flammen
Offizierscasino (2013)
Walther Specht hat auch über die Eröffnung der Rathenower Gasanstalt am 15.10.1867 berichtet. Damals gab es in Rathenow 127 öffentliche Flammen und 1048 Privatflammen. Damit waren die 127 Gaslaternen und 1048 Hausanschlüsse gemeint. Der Magistrat von Rathenow bezahlte dafür 1.134 Taler, 15 Silbergroschen und 7 Pfennige. Wenn wir heute von Flammen sprechen, denken manche noch an Schillers Gedicht von der Glocke,
das die wohltuende Kraft der Flammen beim Glockenguss beschreibt, aber auch die Vernichtung durch Flammen, wie sie die Stadt 1945 erfahren musste. Der Begriff der Flamme als Geliebte, hat anderen Begriffen weichen müssen, wie eben die Sprache immer in Bewegung ist. Damals nannte der Bürgermeister der Stadt Rathenow, Große, jedenfalls die Gaslaternen und Gashausanschlüsse „Flammen“ und die Stadtväter waren stolz auf die neue Gasanstalt, die ja auch Fortschritt und Industrialisierung bedeuteten. Ein Journalist der Kölnischen Zeitung fand die Einführung der Gasbeleuchtung in Köln schrecklich und schrieb: „Jede Straßenbeleuchtung sei verwerflich, theologisch, weil sie einen Eingriff in die göttliche Weltordnung darstelle, welche die Finsternis so gut wie das Licht vorgesehen habe; medizinisch , weil die Gasausdünstung der Gesundheit nachteilig sei, und weil ferner das durch die Beleuchtung geförderte spätabendliche Verweilen auf der Straße Erkältungen begünstige; moralisch, weil das Grauen in der Finsternis von mancher Sünde abhalte, und endlich national, weil der Eindruck festlicher patriotischer Illuminationen durch die allabendlichen Quasi-Illuminationen abgeschwächt werde“. Der Magistrat der Stadt Rathenow hatte jedenfalls entschieden, nicht weiter in der vorsintflutlichen Finsternis zu verharren, sondern Rathenow zu erleuchten. Die ersten Gaslaternen in Rathenow waren noch ziemlich primitiv. Sie hatten offene Brenner ohne Glühstrumpf. In den Häusern hatten man aber schon einen Glasteller oder eine Porzellanglocke. Im Vergleich zu den Öl- und Petroleumlampen stellte die Gasbeleuchtung aber einen großen Fortschritt dar. Die erste Gasanstalt in Rathenow stand auf dem Gelände des Offizierscasinos und war von einer durchbrochenen Backsteinmauer umgeben. Durch die räumliche Nähe zu den Zieten-Husaren führte das Zieten-Husarenregiment sehr bald eine Gasbeleuchtung in den Reitbahnen ein. Zwischen der Bürgerschaft und den Zieten-Husaren war damals ein ausgezeichnetes Verhältnis. Als die Zieten-Husaren am 24.09.1866 von einem Krieg zurückkehrten, bei dem Preußen seine Vorherrschaft gegen Österreich durchsetzte, haben der Magistrat der Stadt Rathenow und die Einwohner den vier Schwadronen einen herzlichen Empfang bereitet. Jeder Schwadron wurde 100 Taler von der Stadt Rathenow für eine besondere Festveranstaltung gespendet. Die Gesamtkosten beliefen sich schließlich auf 1187 Taler, 6 Silbergroschen und 10 Pfennige. Nach Abschluss des Krieges wurde eine fünfte Schwadron in allen Kavallerie-Regimentern neu eingerichtet, wobei Rathenow seinen Anteil abbekam. Auf Antrag des Magistrats wurden der Stadt Rathenow die fünfte Husarenschwadron zugewiesen, sodass die Garnison aus vier Schwadronen (eine Schwadron befand sich in Friesack), dem Stab und der Kommission in Stärke von 600 Mann und 568 Pferden bestand. Die 5. Schwadron erhielt als Montierungskammer das Holzmagazin am Schleusenkanal neben der ehemaligen Warmbadeanstalt (heute Zum Alten Hafen), einen Reitplatz von 1134 Quadratmetern in den dazu eingeebneten Galgenbergen (heute Lutherplatz) und einen neuen Schießstand neben den drei Bestehenden.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 09.07.2019, nach Walther Specht