17-Das Waisenhaus in Rathenow
Ehemaliges Waisenhauses
(2013 neuer Wohnblock mit Geschäften)
Es gab in Rathenow immer mildtätige und hilfsbereite Herzen und Hände, aus denen auch soziale Werke erwuchsen. Das Waisenhaus in Rathenow, Berliner Straße Nr. 2 , hat allerlei Schicksale erlebt. Dort stand früher das kurfürstliche Jägerhaus, das am 15.08.1619 der Heidereiter Joachim Ringel gegen sein Haus auf dem Wedwil (Oberförsterei Grünaue) eintauschte und vom Kurfürsten die Verpflichtung auferlegt bekam, „ unsere Diener und einen reisenden Mann, wenn die bey ihm einkehren, umb ihre gebühr zubeherbergen und Sie mit essen und trinken zuversorgen.“ Bei der Erbauung der Neustadt von Rathenow musste das Jägerhaus 1733 dem schönen Bau des Ingenieurkapitäns Materne weichen. Das Haus wechselte mehrfach den Besitzer. Der Regimentsquartiermeister Kettler hinterließ es 1786 seiner Witwe. Die Witwe heiratete den Major und späteren Obristen von Roettger, so dass man es in der Stadt das „von Roettgersche Haus“ nannte. Nach dem Tode der Obristin kaufte 1830 die Stadt das Haus und richtete in den folgenden Jahren dort ein Choleraspital ein. Als 1930 der Bürgermeister Adolf Friedrich Ferdinand Schultze sein Amt antrat, war er bemüht, die Waisenkinder den Händen der „Mindestbietenden“ zu entziehen und ihnen ein besseres Los zu verschaffen. So machte er denn ein Waisenhaus aus dem Gebäude. Die Bürgerschaft von Rathenow gab viel Geldspenden und sorgte durch Schenkungen von Naturalien und Kleiderstoffen für die Kinder. Die Kinder fühlten sich dort sehr wohl. Das Essen muss reichlich gewesen sein, denn sonst hätte das Kuratorium wohl kaum jährlich vier aus den „Ökonomie-Abgängen des Waisenhauses“ fettgemachte Schwein verkaufen können. Wie aber so viele Einrichtungen, die mit Liebe aufgebaut sind, zu Grunde gehen, wenn der Gründer seinem Werk entrissen wird,, so geschah es auch mit dem Waisenhaus. Als der Bürgermeister Adolf Schultze am Schluss seiner Amtszeit 1843 nicht wiedergewählt wurde, weil sich ein Klüngel gegen ihn erhoben hatte, war auch das Ende des Waisenhauses gekommen. Das Gebäude wurde vermietet. Das Husarenregiment nutze es als Offizierskasino und kaufte es 1881. In den herrlichen Räumen des Offizierskasinos wurden viele schöne Feste gefeiert, bis das Kasino 1909 nach dem Neubau neben der Kaserne verlegt wurde. Das Haus ging an die Stadt zurück, die es für die Polizei und die Stadtverwaltung umbaute. Vor dem Zweiten Weltkrieg diente das Haus dann wieder sozialen Zwecken, wurde aber im Krieg völlig zerstört. Heute steht an dieser Stelle ein Wohnblock, in dessen Erdgeschoss sich Geschäfte befinden.