37-Der Wehrturm der Kirche Hohenenauen
Wehrturm der Kirche Hohennauen (2013)
Von der Ritterherrlichkeit ist nur der alte, als Wehrturm errichtete Kirchturm zu Hohennauen übrig geblieben. Er steht heute noch fest und unverrückbar, als wären die mehr als 700 Jahre nach seiner Erbauung spurlos an ihm vorübergegangen. Und mit ihm träumt zu seinen Füßen in unveränderter Schönheit der Hohennauener See als einziger treuer Schicksalsgefährte, der Zeuge alles dessen wurde, was der Turm erlebte. Alles andere wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte. Die Burg fiel in Trümmer und auf ihnen wucherten neue Herrenhäuser empor, Geschlechter kamen und vergingen, und aus einem kleinen Kiez wurde ein großes Dorf. Doch der Turm überdauerte alle Wandlungen, und seine Steine können erzählen, was in vielen Jahrhunderten in Hohennauen geschah. Als Albrecht der Bär vor 800 Jahren das Havelland in seinen Besitz brachte, wurden die wichtigen Flussübergänge durch Burgen befestigt. So erhielt auch der Winkel zwischen dem Hohennauener See und der Stollense, dem schiffbaren Abfluss des Sees zur Havel – den Kanal ließ erst Friedrich Wilhelm I. 1718 bis 1719 zur Entwässerung des havelländischen Luches graben – ein festes Haus oder Schloss. Zu seiner Anlage erwies sich ein Hügel links der Straße für geeignet, während der als Wehrturm vorgesehene Kirchturm auf dem gegenüberliegenden Hügel zwischen Straße und See seinen Platz fand. Eine Zugbrücke über die jetzt versumpfte Stollense und eine Schanze vervollständigten die Sicherheit des Passes in das Ländchen Rhinow. Die anderthalb Meter starken Turmmauern wurden mit Schießscharten versehen, welche die Brücke, den See und das Gelände neben der Burg beherrschten. Die hier abgebildete zweieinhalb Meter breite Nische enthält Platz für drei nach verschiedenen Richtungen schießende Schützen. Das Schloss hat bis ins 15. Jahrhundert oft seinen Herrn gewechselt. Aus der Hand des Markgrafen kam es um 1375 an die Grafen von Lindow. 1386 verpfändete es der Bischof Dietrich von Brandenburg an Eckehard von Stechow und Arnd Friesack auf sechs Jahre. Nach ihnen hausten die Zicker in der Feste, bis ihnen die verwandte Familie von Rohr folgte. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts finden wir Hohennauen im Besitz der Herren von der H a g e n , von denen zwei Teile 1692 an die Familie von Rauchhaupt und ihre Rechtsnachfolger von Quast, von Bornstedt und von Kleist kamen. Jetzt gehört die ehemalige Burg der Gemeinde und ist für Schul-, Jugend- und Gemeindezwecke umgebaut worden. Die anderen beiden Teile blieben im Besitz der Familie von der Hagen, die seit 1792 in einem neuen Haus in Hohennauen wohnte, das jetzt Frau von Graefe gehört. Während von vielen Besitzern Gutes zu sagen ist, lässt sich von Klaus und Hans von Zicker nur Unrühmliches vermelden. Sie machten Hohennauen um 1400 zu einem Raubnest schlimmster Art, in dessen Verließen mancher Gefangene, seiner Habe beraubt, schmachten musste. So überfielen sie vor etwa 550 Jahren die beiden Bürger Hans Nitze und Laurentz Vischer aus Herzberg und schleppten sie nach Hohennauen, wo sie als Lösegeld 62 Schock böhmische Groschen und ein Halbtuch schönen Gewandes von ihnen erpressten. Und 1413 nahmen sie bei einem Zug in das Erzstift den Leuten in Wust neun Pferde und zwei Ochsen, die sie in ihre Burg schafften. Es war verständlich, dass das durch Menschenhand und Natur so stark befestigte „hus tu Hogenowen“ oder das „Slossz hoghenawen“ in seinen Besitzern ein stolzes Gefühl von Sicherheit hervorrufen musste, besonders zu einer Zeit, als im 14. Jahrhundert die Gewalt des Landesherrn gleich Null war und die Kraft des Armes noch nicht durch Pulver und Blei lahmgelegt wurde. Später allerdings, als nach Einzug der Hohenzollern Ruhe im Lande war, artete bei dem Vorherrschen engherziger Kirchturmpolitik bei Bürgern und Adel und bei dem Mangel an Betätigung in idealen und sozialen Bestrebungen das Herrentum oft in kleinliche Stänkereien, in endlose Prozesse mit den Rathenowern und Rhinowern aus, die beiden Teilen Schaden brachten. Alle diese Veränderungen in den Beziehungen der Menschen und Häuser hat der alte Wehrturm ohne Erschütterung überlebt und er wird auch weiter stehen, festgefügt aus märkischem Backstein, wie ein Fels in der Brandung der Zeiten, auch wenn seine kriegerische Laufbahn zu Ende ist.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 13.07.2019, nach Walther Specht