37. Der Keiler von Landin 01.03.2020
37. Der Keiler von Landin
Wildschweine
Gemälde von Rudolf Herrenkind
1950 kam Rudolf Johannes Alexander Herrenkind mit russischen Offizieren aus Rathenow nach Landin. Sie wollten mit ihm Wildschweine jagen. Rudolf Herrenkind war ein Jäger aus Leidenschaft. Das hatte auch die Russen gehört und wollten mit diesem erfahrenen Jäger mal auf die Pirsch gehen. Die russischen Offiziere schenkten den zwei Mädchen der Herrenkinds Weißbrotstullen dick mit Butter beschmiert und jede Menge Würfelzucker. Das war für die Kinder ein unvergessliches Geschenk. Butter und Zucker waren nach dem Krieg Mangelware. Dann ging es mit Rudolf Herrenkind in den Wald. Der erfahrene Jäger wusste natürlich, wo sich die Wildschweinrotte bei Tag versteckt hielt. Er fuhr mit den Russen in Richtung Friesack bis zu einem Tannendickicht, das in ein Sumpfgebiet führte, wo sich die Wildschweine gern in einer Suhle lagerten. Rudolf Herrenkind bemerkte einen Keiler in den Tannen und schoss. Zu den Russen sagte er, dass er nicht getroffen hätte. Die Russen schossen dann noch ein anderes Wildschwein und nahmen es mit. Bei den Herrenkinds wurde der Jagderfolg mit Wodka begossen. Die Russen waren glücklich. Als sie spät nach Mitternacht wieder nach Rathenow zurückgefahren waren, weckte Rudolf Herrenkind seine Tochter Lilo, gab ihr einen Rucksack auf den Rücken und dann marschierten beide in den Wald. Rudolf Herrenkind hatte den Keiler sehr wohl getroffen und wusste auch genau die Stelle, wo er zu finden war. Er brach ihn auf und verbuddelte das Gekröse und die Schwarte im Wald. Die Fleischteile wurden in die zwei mitgebrachten Rucksäcke verpackt und für die Familie gab es danach tagelang ein richtiges Festessen, denn Charlotte Herrenkind war eine ausgezeichnete Köchin. Es gab Wildschweingulasch, Wildschweinbraten und Königsberger Klops aus Wildschweinfleisch. Sie würzte das Fleisch mit Salz und mit Kräutern aus ihrem großen Garten. Aber am meisten benutzte sie Lorbeerblätter. Fast alle Speisen bereitete sie mit Lorbeerblättern zu. Den Rest des Fleisches gab sie mit viel Salz in einen großen Steintopf. So hatten sie das ganze Jahr über Fleisch zu essen. Die Familie war stolz auf den Vater und Jäger. Das Wildern war ja verboten, und es drohten empfindliche Strafen für überführte Wilddiebe. Aber mit den Russen war das schon eine andere Sache und Rudolf Herrenkind hatte die Gelegenheit genutzt.
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.03.2020
Nach Angaben von Lilo Wortha, geborenen Herrenkind