Biografie von Johann Heinrich August Duncker (*14.01.1767 - †16.06.1843)
An der Rathenower Stadtkirche waltete von 1752 – 1766 als Diakonus, von 1766 – 1808 als Archidiakonus der Prediger Johann Jacob Duncker getreulich seines Amtes. Ihm wurde am 14. Januar 1767 ein Söhnlein geboren, welches die Namen Johann Heinrich August empfing. August Duncker wuchs frisch und fröhlich empor: er besuchte zunächst die Rathenower "große Schule" und bezog dann das Gymnasium zu Salzwedel. Dort trat er bei den öffentlichen Redeübungen zum Semesterschluss mehrfach als Redner auf; dass er schon damals für physikalische Gegenstände sich interessierte, beweist ein von ihm selbst verfasstes deutsches Gespräch "von den aërostatischen Maschinen", welches er bei der Redeübung Ostern 1785 mit einigen Kameraden vortrug. Gut vorbereitet bezog er dann die Universität Halle, um Theologie zu studieren. Er war ein fleißiger Student, aber kein Kopfhänger, sondern genoß fröhlich die heitere Freiheit des akademischen Lebens und gewann durch sein offenes, biederes Wesen zahlreiche Freunde. Bei dem dürftigen Einkommen seines Vaters war sein Wechsel jedenfalls nur gering; es ist daher wahrscheinlich, dass er entweder eine der Wohnungen inne hatte, welche armen Studierenden die Franckeschen Stiftungen unentgeltlich gewährten, oder dass er sogar an den Schulen derselben gegen Bezahlung Unterricht erteilte; Genaueres ließ sich darüber nicht mehr feststellen.
An den Franckeschen Stiftungen war damals als Erholung oder "Recreation"(wir würden es jetzt Handfertigkeitsunterricht nennen) das Drechseln und Glasschleifen eingeführt. Allem Anschein nach hat Duncker an diesen Uebungen sich eifrig beteiligt. Jedenfalls steht fest, dass er schon als Student sich mit grossem Interesse der Optik zuwandte, dass er neben den theologischen Studien sich viel mit Physik beschäftigte und zu den theoretischen Kenntnissen durch das Erlernen der Linsenschleiferei auch die praktische Beherrschung dieses damals als Handwerk betriebenen Faches sich erwarb. In seinen Mußestunden hatte er schon während der Studienzeit manche kleinen optischen Instrumente mit gutem Erfolge ausgeführt.
Kaum hatte Duncker im Alter von 22 Jahren seine theologischen Studien beendet, da wurde er nach dem Elternhause zurückberufen, weil de an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit seines Vaters und dessen zunehmende Kränklichkeit frühzeitige Unterstützung nötig machten. Die Pfarrstelle des Vaters war aber so gering an Einnahmen, dass dieser als Emeritus sie keinem Fremden überlassen konnte, ohne selbst am Notdürftigsten Mangel zu leiden. Es wurde daher wegen seines soliden und ernsthaften Lebenswandels und wegen seines guten Kanzelvortrages der junge Duncker vom Magistrat einstimmig zum Adjunkten seines Vaters erwählt. Nachdem er die Dispensation vom kanonischen Alter erhalten und in einer Prüfung zu Berlin das Zeugniss empfangen hatte, dass er zum Predigtamte vorzüglich geschickt sei, wurde er der Stellvertreter seines Vaters und teilte sich seitdem mit diesem in die damals etwa 400 Taler betragenden Einkünfte der Archidiakonatssrelle. Volle neunzehn Jahre, bis zu dem am 2. März 1808 eingetretenen Hinscheiden seines Vaters, ist er in dieser überaus dürftigen Stellung geblieben. Erst nach den Vaters Tode erlangte er durch Neuregulirung des Pfarrgehaltes ein Diensteinkommen von 580 Talern jährlich.
Bald nach seiner Amtseinführung verheiratete er sich mit einem braven, aber armen Mädchen aus guter Familie; aus der sehr glücklichen Ehe entsprossen drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn. Da ihm jedes eigene Vermögen fehlte, so hatte Duncker bald mit mancherlei Sorgen und Entbehrungen zu kämpfen; seine dürftigen Einkünfte reichten trotz aller Bescheidenheit der Ansprüche nicht aus, seine Familie zu nähren und zu kleiden und die Kinder standesgemäß zu erziehen. In seiner Bedrängnis kam er auf den Gedanken, die in Halle erworbene theoretische und praktische Kenntnis der Optik in seinen Mußestunden zu einem gewerbsmäßigen Unternehmen zu verwenden, um durch diesen für ihn passenden Nebenerwerb sein Einkommen zu vermehren und besser für den Unterhalt der Seinigen sorgen zu können. Als Prediger durfte er indess kein Gewerbe betreiben; er setzte daher in einer Bittschrift an den König von Preussen, Friedrich Wilhelm III., seine Lage auseinander und bat um die Erlaubniss, eine optische Industrieanstalt errichten zu dürfen, in welcher er invalide Soldaten und Militärwaisenkinder beschäftigen wollte. Der König genehmigte sein Gesuch, und so konnte denn im Jahre 1800 mit der Gründung der optischen Industrieanstalt begonnen werden, welche unter dem 10. März 1801 dann auch die Königliche Concession erhielt.
Damals wurden in Deutschland allein in Nürnberg Brillen gefertigt; doch wurden ihre Gläser dort ohne Beherrschung der Regeln der Optik einfach in Formen gegossen. Diese Brillen, welche von Nadlern (Händler mit Nadeln) und Händlern auf Messen und Jahrmärkten verkauft wurden, waren häufig von so schlechter Beschaffenheit, dass sie, statt der mangelhaften Sehkraft zu Hilfe zu kommen, sie nur noch mehr schwächten. Dunckers Streben ging dahin, diese fehlerhaften gegossenen Brillengläser zu verdrängen und sie durch kunstgerecht nach den Regeln der Dioptrik geschliffene zu ersetzen.
Geburtshaus von August Duncker
in diesem Haus wurden die ersten Linsen mit exakten Dioptrien angefertigt
Als er im Jahre 1800 sein industrielles Unternehmen begann, fehlten ihm vor allem die zum Betriebe eines solchen erforderlichen Geldmittel; zugleich ging ihm auch jede kaufmännische Vorbildung ab, sodass er mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Sehr willkommen war ihm daher ein unerwartetes Anerbieten ds Rathenower Garnison- und Feldpredigers beim Leibcarabinier-Regiment Samuel Christoph Wagener (als Verfasser einer Chronik von Rathenow bekannt), Teilnehmer des zu begründenden Fabrikunternehmens zu werden. Wagener war in der Lage, die nötigen Kapitalien einzuschiessen, und da er in kaufmännischen Dingen sehr gewandt war, übernahm er den Vertrieb der Fabrikate, während Duncker mit der ihm eigenen Energie den technischen Betrieb leitete. So begannen zwei Prediger die Einrichtung eines bis dahin in Preussen überhaupt nicht vertretenen Industriezweiges.
Die ersten Brillengläser wurden durch Soldatenknaben, Schüler der damals in Rathenow bestehenden Garnisonschule, unter Aufsicht des Garnisonküsters geschliffen. Duncker leitete die Knaben zum Schleifen an; später wurden ätere Knaben angelernt, welche die Schule bereits verlassen hatten. Als Arbeitsstätte dienten die Bodenräume des sehr alten, in seiner ursprünglichen Gestalt jetzt nicht mehr vorhandenen Archidiakonatsgebäudes und der dazu gehörigen Stallungen. Von früh bis spät war Duncker unermüdlich in der Anstalt tätig; er beschäftigte sich namentlich viel mit Drechseln, worin er wie in der Arbeit mit der Feile grosse Fertigkeit besass. Nach manchen mühsamen Versuchen war es ihm gelungen, eine Maschine herzustellen, welche durch Kinderkraft getrieben, auf stillstehenden Schalen alle Arten von Gläsern (concave und convexe), auch mikroscopische Linsen, auf nassem Wege schliff; auf diese zweckentsprechend "Vielschleifermaschine" erhielt er ein Königliches Patent.
Vielschleifmaschine wie sie Johann Heinrich August Duncker
zur Herstellung von Brillengäsern mit exakten Dioptrien verwendete
Die Anstalt fertigte neben Brillengläsern auch Linsen verschiedener Art und setzte daraus optische Instrumente zusammen, wie einfache und zusammengesetzte Mikrosope, Sonnenmikroscope, Dunkelkammern, Fernrohre u. s. w. Allerdings waren die Fernrohre und Mikroscope zunächst nicht achromatisch, und ihre Fassungen waren aus Holz und Pappe hergestellt. Von diesen selbstgefertigten Mikroscopen, welche guten Ruf gewannen, erhielt Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz ein Exemplar, über welches Friedrich Wilhelm III. durch Kabinetsordre vom 1. November 1800 seine volle Zufriedenheit aussprach. Ebenso gab die technische Deputation zu Berlin über die ihr zur Prüfung vorgelegten Rathenower Brillengläser ein höchst günstiges Gutachten ab; der Professor der Astronomie Bode und der Obermedizinalrat Hermbstädt erkannten im Jahre 1802 an, dass diese Brillengläser nach den Regeln der Dioptrik vollkommen richtig geschliffen seien, und empfahlen sie dem Publikum als besonders zum Gebrauch geeignet. – Die Anstalt führte von 1801 an die Firma "Königlich privilegirte optische Industrie-Anstalt." Der Staat erkannte die Gemeinnützigkeit des Unternehmens auch dadurch an, dass er für das Anlagekapital von 7000 Talern auf fünf Jahre die Zinsen in Höhe von 1500 Talern aus Staatsmitteln zahlte; am 21. September 1803 wie Minister von Struensee die Haupt-Manufacturkasse zur Zahlung dieser Summe an.
Zu bewundern ist, dass ein Prediger, der niemals die Fabrikation von Brillenfassungen in Horn, Eisen oder Stahl gesehen und niemals eine Anleitung dazu empfangen hatte, es möglich machen konnte, alles dies durch praktische Versuche herzustellen. Aber technische Aufgaben jeder Art besaßen für Duncker große Anziehungskraft. Eine Lieblingsbeschäftigung war ihm das Zeichnen; unter seiner Leitung entstand eine Zeichenschule, in der ihn seine älteste Tochter beim Unterricht unterstützte. Auch eine Sammlung von Abbildungen der Giftpflanzen gab er heraus, zu denen er die Kupferplatten selbst stach und die er in seinem Hause koloriren liess; diese Dunckerschen Giftpflanzen-Hefte wurden lange Jahre hindurch in vielen Schulen benutzt. Manche gemeinnützige Verbesserung ging von ihm aus, so z. B. eine besondere Form der Studierlampe, die nach seinen Angaben in Rathenow viel angefertigt wurde.
Als der Vertrieb der Rathenower Brillen zunahm, da in allen grösseren Städten Verkaufsstellen dafür eingerichtet waren, wurden natürlich auch Brillenfutterale verlangt. Aber kein Buchbinder am Ort verstand es, dergleichen anzufertigen. Da übernahm Duncker die Herstellung der Futterale selbst, indem er seine Kinder dazu anleitete; später erst, unter seinem Sohne, wurden die Futteralarbeiten durch Buchbindergehülfen ausgeführt. Jetzt versorgt Rathenow die ganze Welt mit Brillen-Etuis und Klemmer-Futteralen.
So eifrig aber Duncker mit technischen Arbeiten sich beschäftigte, so hat doch während seines langen Wirkens sein geistliches Amt nie darunter zu leiden gehabt; er stand ihm stets mit gewissenhaftem Eifer und mit treuer Liebe vor. Seine erbaulichen, Herz und Gemüt ansprechenden Predigten wurden gern gehört und fleißig besucht, und er genoß als treuer Seelsorger die Liebe und das Vertrauen seiner Gemeinde und die Achtung der ganzen Stadt.
Der erfreuliche Aufschwung, den der Betrieb der Anstalt genommen hatte, wurde leider durch den unglücklichen Krieg von 1806 mit einem Male gehemmt; es trat eine völlige Stockung in allen Geschäften ein. Gerade in dieser mißlichen Lage zog sich der Feldprediger Wagener von der Teilnahme am Geschäft zurück, nahm sein Capital heraus und überließ Duncker unter drückenden Verhältnissen den alleinigen Besitz der Anstalt. Duncker blieb ihm über 1000 Thaler schuldig und mußte außerdem zur Rückzahlung der fremden Betriebscapitalien sich verpflichten. Bei den viele Jahre anhaltenden traurigen Zeitumständen und Geschäftsverhältnissen war es ihm aber unmöglich, diesen Verpflichtungen nachzukommen; erst später erfüllte der Sohn die Verbindlichkeiten des Vaters. Längere Zeit blieb das Geschäft in sehr schwachem Betriebe; erst nach den Befreiungskriegen hob es sich wieder, und die auf 5 – 8 verminderte Arbeiterzahl stieg nach dem Frieden bereits auf 20, wovon die Mehrzahl aus Invaliden der Landwehr bestand. Duncker gab damals auch eine Schrift "Belehrung über Brillen, 1815" heraus, deren Ertrag in Höhe von 50 Talern zur Unterstützung verwaister Soldatenkinder bestimmt war. Bis Ende 1815 war die Arbeiterzahl wieder auf 30 angewachsen, und nun wurden die bisherigen Arbeitsräume zu klein. Duncker sah sich gezwungen, seine Wrkstätte zu verlegen; er mietete die sogenannten Prediger-Wittwenhäuser, Kirchgang 4 und 5, um dort den Betrieb in erweiterter Form fortzusetzen.
Ein Erbfehler der Dunckerschen Familie, die Schwerhörigkeit, zeigte sich auch bei August Duncker in seinen ersten Anzeichen ziemlich frühzeitig, ohne ihm jedoch die Führung seines geistlichen Amtes zu erschweren. Mit den Jahren nahm der Fehler aber erheblich zu und wurde ihm schliesslich bei seinen Amtsgeschäften sehr hinderlich. Um seiner Schwerhörigkeit Erleichterung zu verschaffen, brachte er an dem bereits bekannten Hörrohr eine Verbesserung an, indem er einen biegsamen Schlauch mit Horntrichter und Hornspitze versah; dieses wurde ihm unterm 26. Januar 1809 als Hörrohr mit biegsamer Leitungsröhre vom Handelsministerium patentiert. Auch eine Hörmaschine für beide Ohren, auf dem Kopfe zu tragen, stellte er aus lackiertem Bleche her.
So eifrig und angestrengt Duncker auch fortwährend für sein Geschäft arbeitete, gelang es ihm doch nicht, pekunäre Erfolge zu erreichen; seine Vermögensverhältnisse blieben immer äußerst beschränkt. Daran trug neben den traurigen Zeitverhältnissen besonders der Umstand die Schuld, daß er nur wenig kaufmännischen Sinn besaß und bei seinen Arbeiten mehr auf die Ausführung seiner erfindngseichen Gedanken als auf den Gelderwerb bedacht war. Spät erst, am Schlusse seiner rastlosen Tätigkeit, wurde ihm durch die Erfindung seines Höhrrohrs, das als Dunckersche Hörmachine guten Absatz fand, lohnender Erfolg zuteil. Besonders trug dazu bei, dass der schwerhörige prussische Staatskanzler Fürst von Hardenberg auf Dunckers Höhrrohr aufmerksam gemacht wurde. Durch ein eigenhändiges Scheiben vom 10. Mai 1819 forderte er Duncker auf nach Glienicke, dem bei Potsdam gelegenen Landgute des Staatskanzlers , zu kommen, damit der Fürst sich dort mit dem Erfinder des ihm sehr zusagenden Höhrrohrs wegen einiger Abänderungen persönlich aussprechen könne. Zum erstan Mal im Leben des schlichten Predigers geschah es, dass er mit einem so hochgestellten Staatsmann in persönliche Berührung kam, un obwohl ihm die Aufforderung peinlich war, glaubte er doch, sich ihr nicht entziehen zu dürfen. Er begab sich nach Berlin, wo ihn der Fürst nach Glienicke abholen ließ, um ihn mehrere Tage zu Gast zu haben. Das offene, schlichte Benehmen des einfachen Predigers gefiel dem Fürsten, ebenso fand das Höhrrohr seinen Beifall. Von dieser Zeit an bis zu seinem Tode hat der Fürst sich immerdes Dunckerschen Höhrrohrs bedient, und auch zum Kongreß in Verona sind ihm auf sein Verlangen Exemplare des Höhrrohrs von Rathenow aus nachgesandt worden.
Die Reise nach Glienicke war der letzte Lichtblick im Leben des so rastlos wirkenden Mannes gewesen. Als er im August 1819 seinen Schwiegersohn, den Kaufmann Busch, in Berlin besuchte, erkrankte er daselbst wenige Tage nach seiner Ankunft an einem schweren Nervenfieber, welches ihn dem Tode nahe brachte. Seinem unermüdlichen Arzte, dem berühmten Geheimen Rathe Dr. Heim, gelang es zwar, ihm das Leben zu erhalten; allein als er endlich nach achtzehnwöchentlichem Krankenlager im Januar 1820 Berlin verlassen und in die Heimat zurückkehren konnte, zeigte sich zur Betrübniss aller, dass der geistig begabte, rüstige Mann schon in seinem 52. Lebensjahre zum kindischen geistesstumpfen Greise geworden war. In solch betrübendem Zustande ist er leider bis zu seinem am 14. Juni 1843 erfolgten Tode, also über 25 Jahre geblieben. Nie hat nach dieser Krankheit sein heller, reich begabter Geist von der Nebelhülle sich wieder befreien können. Seine Emeritierung erfolgte bald. Auf Verwendung des Fürsten Hardenberg, der in einem eigenhändigen Schreiben der Familie seine Teilnahme aussprach, wurde ihm, "da er sein geistliches Amt stets mit gewissenhafter Treue verwaltet und daneben seine Fabrik von optischen Instrumenten auf eine höchst uneigennützige und wohlthätige Weise zum Besten betagter Invaliden und verwaister Soldatenkinder geleitet habe", durch die Gnade des Königs eine jährlich Pension von 300 Talern zuerkannt, die mit Hinzutritt des 200 Taler betragenden Emeritengehaltes sein Alter gegen Nahrungssorgen sicher stellte.
So war leider viel zu früh in höchst bedauernswerter Weise der regen Tätigkeit des bis dahin so tatkräftigen Mannes ein Ziel gesetzt worden.
Die Saat aber, die er ausgestreut und so lange treu gepflegt hatte, sollte nicht verloren gehen.
Sein einziger Sohn Eduard hatte bereits als Knabe vom Vater Unterricht im Schleifen optischer Gläser erhalten und dabei auch einige theoretische Kenntnisse der Optik sich verschafft. An ihn trat nun, als er kaum 22 Jahre alt war, die schwierige Aufgabe heran, an des erkrankten Vaters Stelle die Leitung der Fabrik zu übernehmen, um sie nicht eingehen zu lassen und um die sehr in Unordnung geratenen Finanzen zu ordnen.
Eduard Duncker (Sohn von August Duncker)
Eduard Duncker hatte 1811 in Berlin in einem kaufmännischen Geschäft seine Lehrzeit begonnen; 1815 wurde er vom Vater, dessen Gesundheit durch zu grosse Anstrengungen zerrüttet war, nach Hause gerufen, um ihn im optischen Geschäft zu unterstützen. Zwei Jahre stand er ihm hilfreich zur Seite; 1817 diente er sein Militärjahr ab. Im Jahre 1818 übernahm er eine vorteilhafte Stellung in einem angesehenen Berliner Handelshause; aber schon nach Jahresfrist musste er sie aufgeben, da die zunehmende Kränklichkeit des Vaters seine Rückkehr nach Hause nötig machte. Alss nun die traurige Katastrophe eingetreten war, blieb die Leitung des zuletzt wieder herabgesunkenen Geschäftes dem jungen Manne allein überlassen. Da die nötigen Betriebsmittel fehlten, lud er sich damit nicht geringe Sorge und Anstrengung auf; aber er erkannte es als Ehrenpflicht, das vom Vater so mühevoll gegründete Werk nicht untergehen zu lassen, und war mit allen seinen Kräfen für das weitere Bestehen der Anstalt tätig. Trotz der beschränkten Betriebsmittel hob sich dann auch das Geschäft wieder. Bis zum Jahre 1820 wurde es immer noch in den Räumen des alten Predigerhauses betrieben. Als dieses dann wegen Abbruch des Kirchthurmes geräumt werden musste, wurde die optische Anstalt nach einem Hintergebäude des in der Schleusenstrasse gelegenen "Frei-Hauses" verlegt.
Da in dieser Zeit in England und besonders in Frankreich die optischen Arbeiten sich bedeutend gehoben hatten, war der junge Duncker eifrig bemüht, gleiches zu erreichen. Sein Streben war von günstigem Erfolg gekrönt; bei der ersten vaterländischen Gewerbeausstellung im Jahre 1822 in Berlin erhielt er den Preis; ebenso errang er bei gleichen Gelegenheiten in den Jahren 1827 und 1844 erste Preise und ehrenvolle Auszeichnungen.
Es gelang ihm, die aus früheren Zeiten herrührenden Geschäftsschulden allmählich zu tilgen; aber da er aus dem Ertrage des Geschäftes zu dem Einkommen des alten Vaters Zuschüsse zu machen hatte, gestaltete sich die Finanzlage immer noch nicht günstig. Von 1824 ab übernahm er die Fabrik, die er bis dahin auf Rechnung seines Vaters geführt hatte, auf eigene Rechnung. 1828 kaufte er das seinem Schwiegervater, dem Kaufmann Hoppe, gehörige Haus in der Steinstrasse und verlegte in den Hinterhof desselben die optische Industrie-Anstalt.
Das Hoppesche Hinterhaus in der Steinstraße
Die Eltern zogen mit in das Haus, in welchem er gleichzeitig das Hoppesche Materialwarengeschäft weiter betrieb. Im Jahre 1834 verkaufte er das Handelsgeschäft wieder und wendete seine Tätigkeit ungetheilt der optischen Fabrikation zu, die sich in erfreulicher Weise vergrößerte. Er kaufte jetzt das Eckhaus Berlinerstrasse No. 5 und richtete das Nebenhaus in der Brandenburgerstrasse, in dem auch heute ein Teil der Brillenglasschleiferei der Anstalt betrieben wird, als Fabrikgebäude ein. Am 4. Oktober 1834 wurde dieser nun schon stattlichere neue Arbeitsraum von 29 Arbeitern in Benutzung genommen.
Ed. Duncker war als ein überaus fleissiger Mann von früh bis spät in ununterbrochener Tätigkeit; er prüfte alle Arbeiten selbst und besorgte ganz allein die nicht unbedeutende Correspondenz und auch die Warenabsendungen. Er betrieb das Geschäft hauptsächlich vom kaufmännischen Standpunkte aus und erweiterte es ziemlich bedeutend. Dagegen konnte er, da er nicht eigentlicher Fachmann war, nur wenig für die Verbesserung der Fabrikation tun, die sich dann auch nur noch auf Herstellung von Brillen, Brillengläsern, Lupen, Lese- und Panoramagläsern erstreckte. Jedenfalls hat er mit rastlosem Eifer an der Ausdehnung des Geschäftes gearbeitet, und es ist das Resultat seiner Bemühungen um so anerkennenswerter, als er dasselbe nur durch Correspondenz erzielte.
Da Dunckers Ehe kinderlos geblieben war, bstimmte er seinen Neffen, Emil Busch, den Sohn seiner Schwester Jeannette, zu seinem Nachfolger und ließ ihm eine seinem dereinstigen Berufe entsprechende Ausbildung geben.
Auszug aus der Festschrift zum Hunderjährigen Jubiläum 1800 - 1900 der Rathenower optischen Industrie-Anstalt (vormals Emil Busch) am 25.08.1900
Ich danke Prof. Dr. Dr. Dr. Rainer Lehmann aus Rathenow für die freundliche Unterstützung
Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 29.03.2020