Laudatio von Johannes Wohlmann am 21.05.2011
Laudatio
für Frau Vera Schmidt
anlässlich ihrer Auszeichnung mit der „Leo-Wistuba-Medaille“ des Brandenburgischen Chorverbandes
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe Ihnen eine Überraschung anzukündigen, von der ich annehme, dass Sie diese positiv
aufnehmen.
Das Präsidium des Brandenburgischen Chorverbandes hat beschlossen, im Rahmen dieses
Festkonzertes zum 11. Chorfest des Brandenburgischen Chorverbandes e.V. eine „Leo-Wistuba-Medaille“ zu vergeben.
Wie Sie wissen, ist diese Medaille die höchste Ehrung, die der Brandenburgische Chorverband für Einzelpersonen zu vergeben hat, die sich herausragende Verdienste
um die Musikerziehung der Bevölkerung allgemein, um die Förderung des Gesanges, des Chorgesanges im Besonderen erworben haben.
An mich ist die Bitte herangetragen worden, die dazu gehörige Lobrede auf die Person zu halten, die als nächste mit dieser Ehrung bedacht werden soll.
Aus zwei Gründen hatte ich Bedenken, ob ich dieser Bitte nachkommen sollte:
Nach den Regularien des Brandenburgischen Chorverbandes e.V. soll die oder der Auszuzeichnende absolut nicht ahnen, dass sie oder er mit dieser Lobrede gemeint sein könnte.
D.h. der Name soll um Himmelswillen nicht genannt werden, wenn doch, dann nur ganz zum Schluss!
Deshalb werde ich mich im Folgenden bemühen, für die oder den Auszuzeichnenden
die zugegebenermaßen phantasielose Umschreibung „Person“ zu verwenden.
Das ist selbstverständlich und ausschließlich respektvoll zu verstehen.
Zum Anderen: Ich kenne die Person in ihrem gesamten Wirken für den brandenburgischen Chorgesang längst nicht so gut, wie wohl die meisten von Ihnen hier, meine Damen und Herren.
Ich kenne sie allerdings gut genug, um mich dennoch dieser Herausforderung mit voller Überzeugung zu stellen.
Soweit zur Vorrede.
Mit der in Rede stehenden Person verbindet mich etwas Unveränderliches, zu dem wir beide nichts aktiv beigetragen haben: Die gemeinsame Herkunft nämlich.
Wir sind beide in der Stadt Finsterwalde, die sich selbst Sängerstadt nennt, geboren worden und demzufolge sehr frühzeitig mit der inzwischen weitbekannten Hymne dieses kleinen Städtchens konfrontiert worden:
„Wir sind die Sänger von Finsterwalde…“
Das ist doch immerhin schon etwas, erklärt natürlich nicht Alles.
.
Diese zum Glück unverwüstliche Liedzeile erweckt in Jedem, der Finsterwalde nicht kennt, die Vermutung, in dieser kleinen Stadt in der Niederlausitz seien ihre Bürgerinnen und Bürger, jedenfalls die Eingeborenen, in besonderem Maße mit der Begabung des Gesanges, sozusagen genetisch, ausgestattet auf die Welt gekommen und dass sie fortan alles daran setzen, diese Begabung so oft es geht, öffentlich durch gemeinsamen Gesang auszuleben, dass sie sozusagen einen permanent verfügbaren gewaltigen gemischten Chor bilden.
Nun, meine Damen und Herren, ich fühle mich hier und gerade Ihnen gegenüber zur Aufrichtigkeit verpflichtet und muss Sie deshalb mit der Einschätzung überraschen:
Ganz so ist es nicht!
Die Talente der Finsterwalder sind auch in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich verteilt.
Sie würden mir sofort zustimmen, wenn ich mich darauf einließe, im Vergleich mit der gemeinten Person unser Lied vorzutragen!
Aber, immerhin gelingt es der Stadt alle zwei Jahre mit einem erheblichen Kraftaufwand für zweieinhalb Tage den Eindruck zu erzeugen, es wäre so.
Das heißt dann „Finsterwalder Sängerfest“ und ist tatsächlich beeindruckend.
In der folgenden Zwischenzeit tritt dann, auch gesangsmäßig, wieder der Alltag ein, der sich nicht grundsätzlich von dem anderer Städte unterscheidet.
Wieso Finsterwalde dennoch, in den Ruf geraten konnte, DIE Sängerstadt Deutschlands zu sein, hängt unmittelbar mit der schon erwähnten volkstümlichen Liedzeile zusammen, aber eben nicht nur.
Es muss schon etwas dafür getan werden.
Glücklicherweise gab und gibt es auch in Finsterwalde immer einige Leute, die sich mit diesem Alltag nicht zufriedengeben wollen und die unermüdlich daran arbeiten, diesen werbewirksamen Beinamen für Finsterwalde irgendwann unwiderruflich zu rechtfertigen.
Wie schon angedeutet, auch mit der sehr speziellen frühkindlichen Prägung infolge häufiger Wiederholung des Liedchens „Wir sind die Sänger von Finsterwalde…können sich sehr unterschiedliche Lebensläufe entwickeln.
Die auszuzeichnende Person nun ist, zu unser aller Glück, seinerzeit in eine Familie hineingeboren worden, in der Chorgesang zum selbstverständlichen Inhalt des familiären Lebens gehörte.
Mit Begeisterung, so heißt es, hat sie bereits im Schulchor, damals noch in Finsterwalde, gesungen.
Diese Begeisterung ist seither ungebrochen geblieben.
Wahrscheinlich bestimmte ihre Freude am gemeinsamen Gesang, an der Musik, auch ihre Berufswahl und ihre weiter berufliche Entwicklung:
Spätestens jetzt dürfte die gewünschte Geheimhaltung zu bröckeln beginnen.
Aber, sei`s drum:
Unsere Person erwarb das Diplom in Musikerziehung und wirkte zunächst an der polytechnischen Oberschule in Wittichenau, einer kleinen, noch sehr durch sorbische Traditionen geprägten Stadt bei Hoyerswerda.
Die weiteren Stationen ihrer beruflichen Lehrtätigkeit belegen eine stetige Weiterentwicklung:
Institut für Lehrerweiterbildung, Bereich Musikerziehung, Berlin-Pankow,
Institut für Lehrerbildung Cottbus,
Universität Potsdam, Institut für Musikpädagogik.
Ohne Zweifel eine beeindruckende berufliche Karriere, die durchaus nicht alltäglich ist.
So etwas schafft man nur, wenn man sich mit Leib und Seele mit seinem Beruf im Einklang befindet und ihn sozusagen lebt, auch im privaten Bereich.
Und so ist es schließlich auch gekommen.
Unsere Person hat zu keinem Zeitpunkt ihrer beruflichen Entwicklung und trotz der wohl überdurchschnittlichen Herausforderungen und Belastungen, die mit ihrer Lehrtätigkeit verbunden waren, ihre Freude am Singen oder ihre ehrenamtliche Arbeit für den Chorgesang eingeschränkt hat, im Gegenteil!
Inzwischen pensioniert, leitet sie selbst drei Chöre, darunter den Chor der Chorleiter des BCV, singt nach wie vor selbst, bestreitet Chorleiterseminare, kümmert sich um „Felix“ und Caruso“, und vieles andere im Chorverband mehr.
Rückzug ins Privatleben sieht eigentlich anders aus!
Glücklicherweise scheint ihr dies alles aber immer noch Spaß zu machen; wenn nicht, merkt man ihr das nicht an.
Und so sehen wir vor uns:
Ein Leben für den Chorgesang, für das gemeinsame Singen als Bindeglied für die Menschen untereinander, zur Förderung des sozialen Friedens, möglichst von Kindesbeinen an.
Ich erinnere mich an zwei Gelegenheiten unmittelbarer Zusammenarbeit mit der betreffenden Person besonders gern.
Die eine war, die Stadt Finsterwalde zur ersten „Felix-Stadt“ Deutschlands zu entwickeln, also in allen Kindereinrichtungen der Stadt kindgerechtes Singen alltäglich werden zu lassen.
In jeder Phase dieses Vorhabens war ihr die Leidenschaft für frühzeitiges und vor allem kindgerechtes Singen förmlich anzusehen.
Es hat schließlich auch geklappt.
Gut,
so etwas ist in einer Kleinstadt wie Finsterwalde vermutlich leichter zu bewerkstelligen als in Potsdam zum Beispiel.
Aber immerhin.
Die Kinder, Erzieherinnen und Eltern waren mit Begeisterung dabei und sind es, wie ich beurteilen kann, noch immer.
Und natürlich schmeichelte der erfolgreiche Abschluss des Projektes unserem Sebstbewusstsein als Sängerstadt.
Die andere war das 9. Chorfest des Brandenburgischen Chorverbandes.
Wir waren übereingekommen, das Chorfest in unser Stadtfest zum
725. Jubiläum der Ersterwähnung Finsterwaldes im Juni 2007 einzubetten.
Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, sind seinerzeit dabei gewesen.
Ich bin mir sicher, die Idee, alle Chöre mit ihren Auftritten auf den unterschiedlichen Plätzen und Bühnen zu Interaktionen mit dem Publikum zu ermuntern oder gar zu verdonnern, stammte ebenfalls von der Person, die heute die „Leo-Wistuba-Medaille“ erhalten soll.
Auch wenn sie, die Person, um die es hier geht, inzwischen längst nicht mehr in Finsterwalde lebt, gilt für sie noch immer die identitätsbildende frühkindliche Prägung:
„Wir sind die Sänger von Finsterwalde…,
nunmehr in einem weit größeren Rahmen.
Wir vermissen sie natürlich ,aber vielleicht hat sie so viel mehr für den Chorgesang im Land Brandenburg und darüber hinaus bewirken können, als ihr das von Finsterwalde aus möglich gewesen wäre.
Dass sie dennoch ihrer Heimatstadt nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten verbunden geblieben ist, freut uns Finsterwalder und wir danken ihr dafür.
Den Bürgern unserer Stadt, und sicher nicht nur denen, ist dieses heitere und stimmungsvolle Chor- und Stadtfest nachhaltig im Gedächtnis geblieben.
Eine lebendige Demonstration dessen, was Chorgesang vermag: Harmonie erzeugen, Freude vermitteln, Menschen zusammen bringen – ganz im Sinne Leo Wistubas!
Natürlich, meine Damen und Herren, wissen Sie längst, wen ich meine und außerdem kann ich mich nicht länger beherrschen.
Es ist genug gesagt und ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, dass jemand
die „Leo-Wistuba-Medaille“ mehr verdient haben könnte als
Frau Vera Schmidt!
Liebe Frau Schmidt, herzlichen Dank für Ihre Arbeit und herzlichen Glückwunsch!
Johannes Wohmann, Altbürgermeister der Stadt Finsterwalde,
Mitglied des Förderkreises des Brandenburgischen Chorverbandes e.V.
Rathenow, 21.05.2011