Zerstörung und Wiederaufbau 28.04.1945
Erika Guthjahr 1980
Brandnacht in Rathenow 28/29.04.1945
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow ist ein Kleinod norddeutscher Backsteinkunst und das Wahrzeichen der Stadt. Seit 1190 steht die Kirche an diesem Ort und hat in den Jahrhunderten den Umbau von einer Romanischen Kreuzbasilika zur Gotischen Hallenkirche überstanden. An der Südseite des Querhauses der Kirche kann man noch die Umrisse der romanischen Fenster erkennen. Der Kirchturm wurde 1828 nach den Entwürfen des Schinkel-Schülers Carl Wilhelm Redtel neu gebaut. Als der Zweite Weltkrieg mit Zerstörung und Tod kam, erklärte der General Keitel Rathenow zur letzten Festung des Deutschen Reiches, die bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen wäre. Der Grund für die Zerstörungswut war, dass er mit seinen Resttruppen erst über die Elbe kommen wollte, damit er nicht in russische Kriegsgefangenschaft geriet. So wurde die Kirche noch zehn Tage vor dem Ende des Krieges in Schutt und Asche gelegt. In der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 beschoss der Leningrader Hauptmann der Sowjetarmee Wladimir Nasarowitsch Jegorow die Kirche mit Brandgranaten. Der Turm geriet in Flammen. Da der Küster vergessen hatte, die Brandschutztür vom Turm zum Schiff zu schließen, breitete sich das Feuer über den Eichendachstuhl auf die ganze Kirche aus. Das Datum, das Superintendent Georg Heimerdinger in seiner kleinen Broschüre angibt, ist nachweislich falsch und wird auch durch vieles Abschreiben nicht richtiger. Waldimir Nasarowitsch Jegorow wohnte dann viele Jahre in Rathenow. Seine jüngste Tochter ist in Rathenow geboren. Er war eigentlich Ingenieur und wollte mit seiner Familie gern in seine Heimat zurück. Die einzige Ehrenbürgerin der Stadt Rathenow, Erika Guthjahr, hat den Brand in einem Gemälde festgehalten. „So wie es damals brannte, kann man es gar nicht malen, es war alles eine einzige Flamme“ meinte sie und hat dann die Umrisse der Kirche noch sichtbar dargestellt. Das Gemälde befindet sich in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche. Es war ein riesiges Feuerwerk, das eine Woche lang in den Himmel loderte und mit dem herabstürzenden Dach auch die wertvolle Barocke Kanzel (Nachschnitzungskosten 1.090.000,00 €), die Kreuzgewölbe im Mittelschiff (2010 neu erbaut) und die Schuke-Orgel (Neubau 1 Mio. €) zerstörte. Viele Menschen auch in den benachbarten Orten sahen aus der Ferne das große Feuer und viele Rathenower weinten. Auch der Superintendent Georg Heimerdinger konnte seine Tränen nicht zurückhalten, denn er war am Ende seines Lebens 50 Jahre als Pfarrer in der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde tätig gewesen. Viele Menschen hatten sich von den Versprechen der Nazis verführen lassen und hatten einer verbrecherisch handelnden Staatsführung vertraut. Die Menschen waren ja auch terrorisiert und getötet worden, wenn sie sich der Staatsdoktrin widersetzten. Die Tränen, die die Rathenower vergossen haben, waren auch wie ein Erwachen aus einem bösen Traum, denn nach und nach wurden immer mehr Gräueltaten der Nazis bekannt. Nicht, dass die Rathenower nun in demokratische Verhältnisse geführt wurden. Nein, die Sowjetsoldaten hatten die Aufgabe, eine kommunistische Diktatur zu etablieren. Diktaturen verfahren alle nach dem gleichen Muster. Terror, Folter und Bestrafung der Menschen, die nicht an ihre Vorstellungen glaubten. Eine neue Regierung versuchte, die Menschen erneut für ihre Zwecke zu verführen. Obwohl die Kommunisten den Faschismus und die Foltermethoden in den KZ verbal verurteilten, wandten sie die gleichen Foltermethoden der Nazis in ihren Gefängnissen an. Wer es nicht glaubt, kann sich gern in Berlin- Hohenschönhausen davon überzeugen. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wollen wir in Dankbarkeit auf die Menschen schauen, die die Sankt-Marien-Andreas-Kirche wieder zum Leben erweckten. Da ist an erster Stelle, der Pfarrer Friedrich Korth zu nennen, dem es gelang die Kirche ab 1950 nach und nach von Trümmern und vom Schutt zu säubern. Am 29.06.1952 konnte Pfarrer Friedrich Korth den ersten Gottesdienst in der von Schutt und Trümmern befreiten Kirche durchführen. Unter schwierigsten Bedingungen wurde das Mittelschiff mit einem Dach versehen und am 06.09.1959 wurde die Sankt-Marien-Andreas-Kirche feierlich wieder eingeweiht. Man musste zwar die Öffnung zum Chorraum zumauern, aber man hatte wieder ein Gotteshaus, in dem die Rathenower sich am Sonntag zum Gottesdienst versammeln konnten. 14 Jahre nach der Zerstörung war der Teilaufbau der Kirche fertig. Die Menschen in Rathenow freuten sich darüber und dankten Gott für dieses Wunder. Pfarrer Friedrich Korth schrieb in einem Bericht: " Wieviel haben wir hier zu danken! Wieviel sorgsamer Fleiß und mühevolle Arbeit wurde an das Werk gewandt! Wieviel Handwerksmeister haben hier all ihre Kraft und ihr bestes Können in den Dienst der Kirche gestellt! Aber mehr als allen Menschen haben wir dem ewigen Gott und seiner Güte und Barmherzigkeit zu danken, - Ihm, dessen Ehre der nun vollendete Bau verkünden soll und ohne dessen Beistand und Segen alles Menschenwerk nichts fruchtet!"
Christa und Rudolf Eißer
Christa und Rudolf Eißer waren das erste Ehepaar, das am 09.09.1959 in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche nach der Zerstörung getraut wurde.
50 Jahre nach dem Krieg war es 1995 möglich, auch den Chorraum wiederaufzubauen, zwar ohne die drei Kreuzgewölbe, aber die Kirche war nun von außen wieder komplett. Der fehlende Wiederaufbau des Turms konnte 2002 vorgenommen werden. Es hatte sich 1996 ein Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow gegründet, der als erste große Spendenaktionen die Glasfenster im Chorraum und den Turmwiederaufbau zum Ziel hatte. 2010 sind die vier Kreuzgewölbe im Mittelschiff neu erbaut worden und 2011 die Kreuzgewölbe in der Marienkapelle. Nun hofft die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde in Rathenow, dass der Wiederaufbau der Kirche mit Unterstützung des Bundes und des Landes Brandenburg weitergehen kann, aber bisher war das Land 2019 mit Landtagswahlen beschäftigt und 2020 kamen unerwartet Coronaviren, die auch die Landesregierung an der Arbeit hinderten, den Förderbescheid zu erstellen. So bleibt den Rathenower Christen nur der alte lateinische Spruch: Ora et labora! (Bete und arbeite!) und die Hoffnung, dass bis 2023 der Wiederaufbau vollendet sein möge.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 26.04.2020