Die Andreaskapelle 07.08.2020
Mit dem gotischen Umbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow entstanden auch die zwei Kapellen - im Norden die Marienkapelle und im Süden die Andreaskapelle. Die Kalandsbrüderschaft in Rathenow hatte 1345 für die Kirche Güter gekauft und es wird vermutet, dass es der Wunsch der Kalandsbrüderschaft war, die beiden Kapellen zu errichten. Die Kalandsbrüderschaften breiteten sich seit dem 9. Jahrhundert in Mitteleuropa aus. Es waren Vereine, denen sechs bis zwölf Priester angehörten und viele wohlhabende Männer und Frauen, manchmal auch ganze Familien. Sie hatten von den Bischöfen bestätigte Statuten und einen eigenen Schatzmeister. Sie trafen sich jeweils am 1. Tag des Monats, daher der Name „Kalender-Brüder“ oder Kalandsbrüderschaft. Der Zweck ihrer der Zusammenkünfte war das gemeinsame Gebet, wohltätige Werke an Armen und Kranken zu tun und das Gedenken der Toten. Die Feierlichkeiten begannen in der Kirche wo Vigilen*, Seelenmessen und Prozessionen stattfanden und zu Ostern die Fußwaschung von armen alten Menschen vorgenommen wurden. Das Treffen endete immer mit einer Mahlzeit. Die Mahlzeiten wurden im Laufe der Zeit immer üppiger, sodass nach der Reformation die Kalandsbrüderschaften aufgelöst wurden. Der Kalandsbrüderschaft in Rathenow haben wir wohl beide Kapellen zu verdanken.
Ein paar Stufen führten zur Andreaskapelle hinab, die ein neunrippiges Kreuzgewölbe besitzt. Das Besondere an der Andreaskapelle ist ihr massives Pyramidendach. Beim ursprünglichen Aufbau des Daches der Andreaskapelle wurden handgezogene Formatsteine benutzt, die auf einer Seite eine Schräge aufwiesen, sodass die Maurer die Ziegel ganz normal waagerecht aufmauern konnten und trotzdem die Dachschräge entstand.
Formatstein mit einseitiger Schräge
Auf der Spitze des Daches befand sich ein Templerkreuz, das mit einem Krönchen aus Steinen umgeben war. Warum auf der Andreaskapelle kein Andreaskreuz war, wie es das Zeichen des Schutzheiligen ist, bleibt ungeklärt. Der Zugang zum Obergeschoss ist nur durch eine Luke möglich, die früher noch von einem gotischen Bogen (Wimperge) umgeben war. Die Andreaskapelle diente als Umkleideraum und Vorbereitungsraum (Sakristei) für den Pfarrer und die Lektoren und zur Aufbewahrung der Gottesdienstgeräte wie Leuchter, Kerzen und Kelche. 2011 wurde die Andreaskapelle gründlich saniert. Schadhafte Steine wurde ausgetauscht und die Kehle zwischen Chorraum und Kapelle mit einer Bleiverkleidung versehen, sodass kein Regen mehr in das Kapellendach eindringen konnte. Außerdem wurde das Templerkreuz aus Sandstein nach dem historischen Vorbild von Steinmetzmeister Christian Eißer entworfen und von seinem Bruder dem Steinmetzmeiste Rolf Eißer gefertigt. Das Kreuz wurde aus sächsischem Sandstein von Rolf Eißer gehauen. Der Sandstein wurde aus Posta in Pirna geholt. Das Templerkreuz wiegt 60 kg. Der Steinmetzmeister Rolf Eißer arbeitete an der Fertigstellung der Form vom 13.09.2011 -16.09.2011.
Das Templerkreuz für
Andreaskapelle
Christian und Rolf Eißer sind die beiden Geschäftsführer der Neils-Stein GbR in Rathenow.
Die Materialkosten für Sandsteins belaufen sich auf 200,00 € und die Arbeitskosten auf 833,00 €. Rolf Eißer wird aber seine Arbeitskosten nicht der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rechnung stellen, weil auch er sich für den Wiederaufbau der Kirche zum Lobe Gottes engagieren möchte.
Steinmetzmeister Rolf Eißer mit dem
fertigen Templerkreuz
für die Andreaskapelle
Video
Das Innere der Andreaskapelle wurde vor der Zerstörung im Jahr 1945 als Sakristei genutzt. Eine Sakristei dient für den Pfarrer und den Lektor als Vorbereitungsraum und zur Aufbewahrung der gottesdienstlichen Geräte wie Kelch und Brotteller. Die Kreuzgewölbe mit neun Rippen sind im Krieg zum Glück unzerstört geblieben.
Die Andreaskapelle links mit der Häuserzeile ca. 1930
Sakristei
Andreaskapelle 1930
*Vigil (lateinisch: Wache)
Die Vigil ist die erste Gebetszeit des Tages. Das Gebet wird nachts oder am frühen Morgen verrichtet. Die Benediktiner setzten die Vigil um 2:00 Uhr an. Die Vigilien sind heute nur noch am Heiligabend und in der Osternacht weit verbreitet, wo die Christen mit Mitternachtsmessen oder -gottesdiensten der Geburt beziehungsweise der Auferstehung von Jesus Christus gedenken. Das Zweite Vatikanische Konzil hat auch die Bindungen der Gebete an Uhrzeiten aufgehoben.
Gliederung der Vigil
1. Eröffnung
Herr öffne meine Lippen, damit Dein Lob verkündet wird.
2. Psalm (Invitatorium=Gebetseinladung)
3. Lobgesang (Hymnus)
4. Nokturn (normalerweise zwei Nokturnen, an Sonntagen drei Nokturnen)
der erste Nokturn besteht aus mehreren Psalmen und der Lesung aus der Heiligen Schrift
der zweite Nokturn besteht aus mehreren Psalmen und der Lesung aus geistlicher Literatur
der dritte Nokturn besteht aus einem hymnischen Gebetstext oder Gesang, dann folgt das Evangelium des Sonntags und das Lied „Dich Gott loben wir“ (Te Deum) und das Tagesgebet beendet die Vigil.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 07.08.2020