Große Stehende von Willi Lippert 25.08.2020
Bärle vor dem Rathenower Krankenhaus
Matthias Lippert aus Saarlouis ist der Enkel des Rathenower Künstlers Willi Otto Lippert. Er trat am 05.04.2018 dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bei. Sein Großvater W.H. Lippert wurde am 12.11.1898 in Rathenow geboren. Sein Spitzname war HORSA, den er auch als Künstler für seine Signaturen benutzte. Manchmal hat er auch seine Werke mit LIPPHART signiert. Nachdem er im Ersten Weltkrieg als Funker eingesetzt war, wollte er gern bei Ende des Krieges Kunst studieren. 1922 lernte er seine spätere Frau Alma Hertha Martha Lauer kennen, der er den Kosenamen „Bärle“ gab, mit ihr gemeinsam reiste und mit den Freunden des Wandervogels durch die heimatliche Landschaft zog, wenn es die Zeit erlaubte. Aus dieser Zeit stammt auch eine Bronzefigur vor dem Krankenhaus in Rathenow, die er schlicht „Große Stehende“ nannte. Seine Freundin Alma hatte ihm dabei Porträt gestanden und die Anmut und Schönheit dieser Skulptur zeigt auch seine Verliebtheit in dieser Zeit. Die bronzene Mädchenstatue wurde am 12. 06.1929 vor dem Krankenhaus in Rathenow aufgestellt. Im Dezember 1928 fand eine Ausstellung der „Rathenower Künstlerschaft“ statt. In dieser Ausstellung war auch das Werk von Lippert „Große Stehenden“ zu sehen, denn er war selbst seit 1926 Mitglied der Rathenower Künstlerschaft. Dabei hatten bekannte Rathenower Künstler wie Georg Penning und Emil Heinsdorff sich sehr lobend über diese Bronze ausgesprochen, was wohl die Stadt veranlasste, das Werk zu kaufen.
Petra Haupt, Dr. med. Johannes Hubbe
und Viola Knackmuß
Am 26.08.2020 enthüllten Renate Assmann und Dr. Johannes Hubbe eine kleine Gedenktafel unter der Skulptur der „Alma“ im Krankenhaus Rathenow, wo der Künstler dieses Werkes genannt wird.
Plakette am 25.08.2020 enthüllt
Renate Assmann kannte die Großmutter Alma noch persönlich. Willi Lippert soll 1920 in Schlesien beim Grafen Schaffgotsch gearbeitet haben, für den er Entwürfe für Ausstattungen eines Jagdschlosses in Schreiberhau entworfen haben soll. Auch das Rathenower Notgeld hat er entworfen. Es folgen in den Jahren bis Ende 1922 Notgeldentwürfe für 10 weitere Städte in der Mark Brandenburg, Schlesien und Pommern mit bisher 17 bekannt gewordenen Serien. Mit dem Erlös aus diesen Arbeiten konnte er sich etliche Wünsche für seine Weiterbildung erfüllen, Urlaubsfahrten ins Gebirge und an die See durchführen und sich ein eigenes Atelier auf einem Gartengrundstück seines Vaters in Rathenow, Heimstättenweg 22 errichten, das 1924 fertiggestellt wurde. In der überaus aktiven Schaffenszeit etwa von 1924 bis 1932 wohnte W. H. Lippert in einer kleinen Wohnung des Hauses, Friesacker Str. 12a, das gegenüber seinem Geburtshaus um1900 errichtet wurde. Am 24.12.1932 heirateten „Horsa“ und „Bärle“ im Beisein der Freunde und Trauzeugen Ernst Zietemann und Erich Paul. Eine ebenso schöne Arbeit gelang später, 1930/31, mit der Spinnerin, die er im Auftrag der Schlesischen Textilwerke Maethner u. Frahne in Landeshut gestaltete. Die überlebensgroße Figurengruppe, der „Männer dreier Generationen“, wurde durch die Wohnungsbaugenossenschaft, Rathenower Bauverein e.G.m.b.H., auf Vorschlag des damaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Stadtrat Paul Szillat durch den Vorstand des Bauvereins, vertreten durch den Geschäftsführer, Karl Laege, 1930 in Auftrag gegeben und wahrscheinlich aus diesem Grund kurz vor dem Guß, 1933 von Jungnazis zerstört. Bei den Plastischen Arbeiten von Mitte der zwanziger Jahre an, fand er Unterstützung durch den späteren Bildhauer Karl Mertens, welcher ihn als seinen Freund und Lehrmeister bezeichnete. Auch bestanden spätestens seit Beginn der Zwanziger Jahre enge Beziehungen zur Steinbildhauerei A. Gnotke in Rathenow. Da seine Wohnung jedoch nicht genügend Platz für zwei Personen bot, wohnte seine Frau Bärle, auch nach der Hochzeit weiterhin in einem kleinen Zimmer im Haus der Eltern, Grünauer Weg 5. In diesen Jahren der schwersten Wirtschaftskrise, der Notverordnungen und Arbeitslosigkeit, sowie der im Aufkommen begriffenen Nazigefahr, fand Horsa einschließlich einiger seiner bisherigen Freunde auch Zugang zum antinazistischen Kreis: „Die Mitte“. Der Kreis wurde von Berthold Metis, Abteilungsleiter im Kaufhaus Conitzer und Söhne, geleitet. Diese Gruppierung, bestehend aus Angestellten, Arbeitern, Lehrer und Künstlern, traf sich nach Belieben zum Gedankenaustausch und auch jeweils donnerstags zu politischen Themen und gewannen 1931 immer größeren Zulauf. Trotz erheblichen Zuspruchs der linken Parteien, konnten die Nazis ihre Positionen weiter verstärken und nach der Wahl am 05.03.1933 die Macht übernehmen. Mit Maßnahmen auf der Grundlage der, bereits einen Tag nach dem Reichstagsbrand erlassenen „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, wurden noch im März Sozialdemokraten und Kommunisten aus Ämtern und Funktionen gewaltsam entfernt und in Haft genommen. Mit der zweiten Verhaftungswelle wurde auch Willi Lippert laut Einlieferungsliste der Ortspolizei am 27. 06. 1933 verhaftet. Im Konzentrationslager Oranienburg wurde er gezwungen, das Lagergeld zu entwerfen. Nach Intervention seiner Frau wurde Willi Lippert Mitte Juli wegen angeblicher Verwechslung aus der Haft entlassen und kehrte nach Rathenow zurück. Mit der Einberufung zur Kriegsmarine am 25.02.1940, sein Sohn Jörg war noch kein Jahr alt, endete seine Künstlerische Tätigkeit in Rathenow. Seine Frau Bärle, die in Rathenow geblieben war, entschloss sich 1946 mit dem Sohn zu ihrem Mann in die damalige englische Besatzungszone nach Brunsbüttel zu gehen. Sechs Jahre lang arbeitete er ohne feste Anstellung an der Moje-Mittelschule und Grundschulen als Zeichenlehrer auf Honorarbasis, wurde Mitbegründer der Volkshochschule Brunsbüttelkoog und ihr meistbeschäftigter Dozent. Er blieb aber weiter als freischaffender Künstler tätig und galt bald als Chronist seiner Region. Er schuf zahlreiche Buchillustrationen u.a. für „Das schöne Brunsbüttel“ und „Bauern Handwerker und Seefahrer“. Auch Landschaftsbilder und Bilder über den Kampf der Menschen mit der Natur entstanden hier. Mit einem großen Wandgemälde im Rathaussaal von Brunsbüttel über den schwierigen Kanalbau, erfuhren deren Erbauer eine bleibende Würdigung. Besonders wurde Willi Lippert auch als Heraldiker bekannt, denn er entwarf das amtlich anerkannte Wappen und Siegel der Stadt, was zu großer Nachfrage führte. So schuf er für weitere Städte und Familien insgesamt etwa 240 Wappen. 1956 besuchte er auf Einladung Karl Mertens noch einmal Rathenow und sein ehemaliges Atelierhaus, das zwischenzeitlich der Neffe seiner Frau erworben hatte. Zunehmende Erblindung erschwerten und behinderten später das künstlerische Arbeiten derart, dass er auf die Hilfe seiner Frau bei der Ausführung angewiesen war. Schließlich musste er die Arbeiten gänzlich einstellen. Am 13.11.1981 starb er einen Tag nach seinem 83. Geburtstag in Brunsbüttel. Er wurde auf dem Paulusfriedhof in Brunsbüttel beigesetzt.
Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 28.08.2020 (gekürzt nach Angaben Günther Schneider)