16-Landin-Im Heu-am 01.06.2018
Im Heu
Hedwig und Max Muchow fahren vom Hof (1937)
Wenn im Juni das Heuen begann, war im Dorf alles auf den Beinen. Das schöne Wetter musste ausgenutzt werden und alle jungen und alten Männer mähten mit den Sensen auf den Wiesen das frische Gras. Ist der Mai kühl und nass, füllt dem Bauern Scheun´ und Fass, heißt eine alte Bauerregel und dieser Mai in Landin war nass und regnerisch gewesen. Dazu war er angenehm warm, „Wasswäder“, sagte die alte Elise Mewes, denn bei diesem Wetter wuchs und sprosste es, dass man zusehen konnte. Natürlich auch das Unkraut, aber Alice von Bredow tröstete die Leute und meinte: „Wo Unkraut wächst, wächst auch was anderes.“ Und so war es ja auch wirklich. Die Kartoffeln und Rüben gediehen natürlich ebenso gut in solchen nassen und warmen Maitagen. Aber kaum war es Juni im Jahr 1937 geworden, brach eine Hitzewelle aus, die seinesgleichen suchte. Die Menschen und das Vieh stöhnten unter der Wärme. Schwad für Schwad wurde das Gras von den Männern gemäht und lag am Ende des Monats in langen Reihen auf den Wiesen. Die Männer mähten am liebsten am frühen Morgen, wenn es noch nicht so warm war und der Tau noch auf den Wiesen lag. Alle paar Meter wurde Halt gemacht und die gedengelten Sensen mit einem Wetzstein geschärft. Sie hatten alle eine Mütze oder einen Filzhut auf, damit der Schweiß nicht in die Augen lief und Gespräche waren nur in den Pausen möglich. Wenn das Gras gemäht war, kam die Arbeit der Frauen, bei denen ihnen aber auch alle Männer halfen. Das Gras musste alle paar Tage gewendet werden, bis es die Sonne in duftendes Heu verwandelt hatte. Hauptgespräch in der Heumahd war das Wetter. Ob es denn hielt und kein Regen kam? Die Frauen und Männer arbeiteten beim Heuwenden immer zusammen und konnten so viel erzählen. Meist zog sich das Wenden bis in den August hinein hin. Die Frauen hatten weiße kunstvoll gefaltete Hüte auf dem Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen, denn es war für alle eine schweißtreibende Arbeit. Manche hatte auch in der Schule Gedichte gelernt und probierten aus, ob noch alle Verse im Kopf waren.
Im Heu
von Johannes Trojan
(*14.08.1837 in Danzig – † 21.11.1915 in Rostock)
O wie schön ist es im Heu!
Lieblich ist der Duft,
und die Lerche singt dabei
hoch aus blauer Luft.
Und das Grillchen hört man auch,
das die Zither schlägt
unterm wilden Rosenstrauch,
den der Wind bewegt.
Warme Luft und Sonnenschein,
o wie ich mich freu!
Sagt, wo kann es schöner sein,
schöner als im Heu?
Wenn das Heu dann wirklich fertig war, mussten alle Mitglieder der Familie mithelfen, es in die Scheunen zu bringen. Es war ein trockener schöner Tag, da fuhr Max Muchow mit seiner Frau Hedwig mit dem Leiterwagen vom Hof. Auf der Wiese gab er seiner Frau auf dem Wagen große Forken voll Heu, die sie kunstvoll auf dem Wagen packte. Es durfte ja unterwegs nichts verloren gehen.
Max stakt das Heu auf den Leiterwagen,
wo seine Frau Hedwig es genau einpackt
Die Wiesen waren auf der anderen Straßenseite und die voll bepackte Heufuhre musste durch Sandwege mit engem Baumbestand durchmanöveriert werden. Hedwig Muchow verstand die Kunst des Heustapelns am besten und blieb meistens auf der Fuhre oben sitzen, während ihr Mann Max unten auf dem Leiterwagen saß und die Pferde nach Haus führte. Einmal war die Heufuhre so hoch bepackt worden, dass ein starker Ast einer alten Eiche Hedwig Muchow einfach vom Wagen fegte. Sie war so erschrocken, dass sie keinen Ton herausbrachte, sich aber krampfhaft an dem dicken Ast festhielt, während der Wagen weiterfuhr. Max hatte nichts davon bemerkt und fuhr seelenruhig nach Hause. Erst da fiel ihm auf, dass seine Frau nicht antwortete. Er holte eine Holzleiter und kletterte auf den Wagen, aber seine Frau blieb verschwunden. Er rief das ganze Haus zusammen, aber niemand hatte dafür eine Erklärung.
Hedwig und Max Muchow auf der Heufuhre
Hedwig war noch jung und hatte sich behände auf den Ast geschwungen und war in den Baumstamm geklettert, wo sie nach ängstlichen Versuchen auch glücklich wieder auf dem Erdboden ankam. Sie kam mit 20 Minuten Verspätung zu Hause an und es gab keinen glücklicheren Mann als Max, der seine Frau sofort in die Arme nahm und sich die ganze Geschichte erzählen ließ. Dann halfen alle mit, das Heu vom Wagen in die Scheune zu bringen und dort erneut kunstvoll zu stapeln. Es duftete der ganze Heuboden nach Sommer, Sonne und dem frischen Heu. Die Kühe und Pferde konnten so gut im Winter versorgt werden. Es gab ja noch andere Futtermittel im Winter, aber Heu war doch das Beste und dann noch von den eignen Wiesen. Es hingen ja auch so viele Handgriffe an dem wunderbaren Heu, was eine enge Bindung an die Dorfwiesen bedeutete.
© Dr Heinz-Walter Knackmuß 01.06.2018