19-Landin- Drei Freundinnen auf der Wartburg am 01.09.2018
Drei Freundinnen auf der Wartburg
Charlotte Jungnickel, Hertha Brunow und Margarethe Brunow
beim Tanzstundenabschlussball in Berlin
Margarethe Brunow, Charlotte Jungnickel und Hertha Brunow sind in Berlin eingeschult worden und blieben zeitlebens Freundinnen. Wenn Ferien waren, kamen die drei Freundinnen oft zum Großvater von Hertha nach Landin und verlebten da ihre Ferien. Die Schulbank drückten sie aber gemeinsam in Berlin und wurden auch dort vom gleichen Pfarrer in der gleichen Kirche konfirmiert. Das Leben führte sie dann doch ganz verschiedene Wege. Charlotte Jungnickel arbeitete in Berlin in einer Glaserei und war für die Buchführung verantwortlich. Sie hat nie geheiratet und lebte mit ihrer Mutter zusammen, die sie bis zum Tode pflegte. Margarethe Brunow heiratete einen Offizier, der im Zweiten Weltkrieg nicht mehr aus Afrika zurückkam. Hertha Brunow hat ihr Leben in Landin aufgebaut. Ihr Freund blieb ebenfalls im Krieg und so lebten die drei Frauen ungebunden, was sie aber nicht hinderte, sich regelmäßig zu treffen, meistens in Landin.
Glückliche Jahre in Landin
Die schönsten Erinnerungen hatten die drei Freundinnen an Landin, wo sie jung und unbeschwert auf dem Hof des Gastwirtes Ferdinand Muchow Ferien machten. Wenn man jung ist, ist ja alles zum Lachen. Man fühlt sich wohl und es ist ganz und gar egal, was der Nachbar erzählt, das Lachen lässt sich nicht unterdrücken. Natürlich mussten sie auch alle drei bei der Ernte helfen, aber das störte die Fröhlichkeit in keiner Weise. Hertha Brunow war von den drei Freundinnen die Unternehmungslustigste und hatte immer neue Ideen für Ausflüge und Fahrten ins Blaue. Sie war die Einzige, die durch ihre Familie etwas Vermögen hatte und so bekam sie auch in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts einen Mercedes, den sie mit ihrem Fahrschullehrer persönlich aus Untertürkheim abholte.
Das neue Auto in der Garage in Landin
Der Mercedes mit der Nummer IE-II3I42 fuhr nun über die Straßen des Havellandes. Hertha schlug ihren Freundinnen vor, sie auf eine Reise zur Wartburg zu begleiten und im September 1937 trafen sich alle in Landin mit gepackten Koffern und dann brauste Hertha mit ihren Freundinnen los. Charlotte hatte den Conti- Atlas auf den Knien und dirigierte Hertha erst einmal nach Magdeburg, wo der Dom besichtigt wurde, ehe man ins Domhotel eincheckte. Die nächste Tour ging bis nach Eisleben und dann nach Weimar, wo die Wohnhäuser von Goethe und Schiller besucht wurden.
Die Wartburg bei Eisenach
Dann erreichten die drei jungen Damen Eisenach und fuhren bis zur Wartburg. Nach der Sage soll Graf Ludwig der Springer († 1123) von der Schauenburg bei Friedrichroda bei einer Jagd den Berg entdeckt und sich in ihn verliebt haben. Die Gegend gehört dem Grafen von Frankenstein. Der Graf Ludwig soll beim Anblick des Berges gerufen haben: „Warte Berg, du sollst mir eine Burg werden.“
Ludwig auf der Jagd – Warte Berg, du sollst mir eine Burg werden.
Er ließ von seinen Untertanen Körbe mit Erde von der Schauenburg auf die Wartburg bringen und dort ausschütten. Als die Frankensteiner das Land für sich reklamierte, schwor Graf Ludwig der Springer vor dem König, dass die Erde ihm gehöre, auf dem er die Wartburg errichten wollte. 12 Mitstreiter des Grafen stießen dazu ihre Schwerter in den Boden und beschworen, dass das Land dem Grafen Ludwig gehörte, was ja durch den Trick nicht ganz falsch war, aber eben doch nur eine List war. 1131 wurde der Sohn Ludwig des Springers, Ludwig I., vom Kaiser Lothar III. zum Landgrafen ernannt. Landgraf Ludwig II. (Regierung von 1140-1172) war der bedeutendste Bauherr für die Wartburg. Im Palas der Wartburg befindet sich ein großes Wandgemälde von Moritz von Schwind, das den „Sängerkrieg“ auf der Wartburg darstellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die beiden Minneliederdichter Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach. Wolfram von Eschenbach war 1203 am Thüringer Hof. Er ist bekannt als Dichter des „Parzival.“ Dieses mittelalterliche Epos diente Richard Wagner als Vorlage für seine Oper „Parzival.“ Auf der Wartburg wurde ein künstlerischer Wettstreit darum ausgetragen, wer in seinen Dichtungen am besten den Fürsten und die Fürstin loben könne. Walther von der Vogelweide hat dabei ein sehr berühmtes langes Gedicht (Reichsklage) geschrieben, dass so begann:
Ich saz uf eime steine Und dahte bein mit beine, dar uf satzt ich den ellenbogen ich hete in mine hant gesmogen daz kinne und ein min wange do dahte ich mir vil ange,
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Ich saß auf einem Steine |
Der Volksmund machte daraus:
„Ich saß auf einem Steine und dachte so an Dich, da sah ich eine Rose und ein Vergissmeinnicht.“ Der Wettstreit ging für den Verlierer tödlich aus. Da keine eindeutige Entscheidung getroffen werden konnte, wurde der Magier Klingsor aus Ungarn gerufen, der auf eine Wolke zur Wartburg kam.
Sängerkrieg auf der Wartburg
Im Festsaal der Wartburg wurden immer große Konzerte veranstaltet und der König Ludwig von Bayern war so von ihm angetan, dass er ihn im Schloss Neuschwanstein als Kopie errichten ließ.
Festsaal auf der Wartburg
Eine andere Legende berichtet, dass Elisabeth von Thüringen, die Tochter des Königs Andreas II. von Ungarn war und mit dem Landgrafen Ludwig 1211 vermählt wurde. Sie war vier Jahre und Ludwig elf Jahre alt. Elisabeth schenkte ihrem Mann drei Kinder und war sehr mildtätig. Ludwig hatte von seinem verschwenderisch lebenden Vater Hermann 1217 ein bettelarmes Land übernommen.
Elisabethkemenate
Während Elisabeth milde Gaben verteilte, musste er knausern und sparen. Als sie eines Abends wieder mit einem Korb voll Brot zu den Armen gehen wollte, sprach er sie an und fragte sie:“ Was hast Du unter dem Tuch in Deinem Korb?“ Sie antwortete: „Rosen“ und als ihr Mann das Tuch zurückschlug, waren in der Tat nur Rosen in dem Korb. Dieses so genannte „Rosenwunder“ ist viel beschrieben und bedichtet worden.
Das Rosenwunder
Die bekannteste Persönlichkeit auf der Wartburg, die auch die größte Ausstrahlung auf die ganze Welt hatte, war aber Martin Luther. Der Kurfürst von Sachsen Friedrich der Weise hielt Martin Luther, verkleidet als „Junker Jörg“ auf der Wartburg versteckt, nachdem der Papst ihn mit dem Bann und der Kaiser mit der Reichsacht belegt hatten, was einem Todesurteil gleichkam. Er musste sich auch einen Bart wachsen lassen. Eine Besichtigung der Wartburg mit der Lutherstube, wo Martin Luther als „Junker Jörg“ das Neue Testament der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt hatte und damit die deutsche einheitliche Sprache begründet hat, war selbstverständlich Bestandteil der Reise. Durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern des Johannes Gutenberg im Jahr 1450 verbreitete sich die deutschsprachige Bibel in Windeseile über den ganzen deutschsprachigen Raum. Bei der Übersetzung soll Luther auch den Teufel gesehen haben. Er warf in seiner Stube ein Tintenfass nach ihm, wovon noch ein schwarzer Fleck an der Wand zu sehen war. Den hat man im Laufe der Zeit weggeputzt. Das alles stand natürlich auch auf dem Programm der drei Damen. Wenn man jung ist, findet man ja alles komisch und die drei Reiselustigen fanden später, dass sie noch nie so viel gelacht hatten, wie auf dieser Reise.
Luthers Schreibtisch auf der Wartburg
Im Wartburgrestaurant wurde Mittag gegessen und 20 Ansichtskarten an alle Bekannten in ganz Deutschland geschickt. Alle drei schrieben wie die Weltmeister. Dann ging es nach Eisenach ins Hotel und man schlief herrlich bis zum nächsten Morgen. Dann ging es wieder zurück nach Landin, wo ja der Ausgangspunkt für diese Autofahrt war. Die drei Freundinnen verlebte beim Großvater von Hertha Brunow noch den Rest des Urlaubs und natürlich wurde allen von dieser Reise erzählt. Es war schon ein Erlebnis gewesen, was einen tiefen Eindruck bei den drei jungen Frauen hinterlassen hatte.
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.09.2018