40-Landin-Pastor Karl Domsch am 01.06.2020
40. Pastor Karl Domsch (*05.01.1911 - † 10.01.1992)
Pastor Karl Domsch war am 05.01.1911 in Tauer, Kreis Cottbus geboren. Sein Vater Friedrich Domsch lebte mit seiner Frau Anna Domsch, geborenen Paul, in einem kleinen Haus und bewirtschaftete als Bauer 50 Morgen Acker. Man nannte diese kleinen Bauern Büdner. Ein Morgen entsprach ¼ Hektar. Seine Eltern wohnten im Spreewald und sprachen Wendisch (Sorbisch). Erst als er eingeschult wurde, musste er Deutsch lernen. Karl Domsch wurde am 05.02.1911 in der Dorfkirche in Tauer getauft. Er besuchte die Dorfschule bis zur 8. Klasse und arbeitete dann zwei Jahre in der kleinen Landwirtschaft seines Vaters. Von 1927 – 1930 erlernte er bei der Firma Julius Erling das Maurerhandwerk und arbeitete von 1930 - 1934 als Maurer. Von 1934 an war er Soldat und musste nach Russland in den Krieg, wo er 1945 in russische Kriegsgefangenschaft geriet, aus der er erst 1949 entlassen wurde. Er hatte am 03.12.1939 Martha Bechtholdt geheiratet. Dem Ehepaar wurden vier Kinder geschenkt. Am 07.09.1940 Siegfried, am 24,12,1941 Christa, am 06.08.1944 Eva und am 18.01.1952 Karl-Heinz. Karl Domsch arbeitete nach der Entlassung aus der russischen Kriegsgefangenschaft als Katechet (Religionslehrer) in Tauer im Kirchenkreis Cottbus und später in Liepe im Kirchenkreis Rathenow. Da er diese Aufgabe über alles liebte, weigerte er sich 1953 den väterlichen Hof zu übernehmen. Der Vater war darüber so erbost, dass er seinen Sohn enterbte. 1956 schreibt er in seiner Biografie: Gottes Heiliger Geist führte mich durch sein Wort zum Sündenbekenntnis und zur Heilsgewissheit und beruft sich dabei auf das Kapitel 53 im Alten Testament bei Jesaja. In der DDR (kommunistische Osthälfte von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg) hatten die Kommunisten den Atheismus zur Staatsdoktrin erklärt und die Regierung versuchte, die Menschen von jeglichem christlichen Glauben abzubringen, denn Karl Marx hatte gesagt. „Religion ist Opium für das Volk.“ Die Kommunisten wussten natürlich, dass auch engagierte Christen bei den Nazis mit ihnen in den Konzentrationslagern gesessen hatten und wie Dietrich Bonhoeffer und viele andere ermordet wurden. Und so traute man sich nicht, das Christentum in Gänze zu verbieten, aber bei Lehrern und Staatsdienern wurde schon Wert auf eine atheistische Gesinnung gelegt. Die Kirchen hatte es schwer, Menschen für den Beruf des Pfarrers oder Priesters zu gewinnen und so war man auf die Idee gekommen, eine eigene christliche Hochschule ins Leben zu rufen, wo praktische jeder die Ausbildung zum Theologen durchlaufen konnte. An den staatlichen Universitäten gab es natürlich auch theologische Fakultäten. Die führten aber oft dazu, dass die Studenten doch vom Glauben abgebracht wurden, denn sie mussten wie alle Studenten im Nebenfach Marxismus-Leninismus studieren. In Berlin gab es von 1946 -1999 das „Paulinum“, wo über den Zweiten Bildungsweg Pfarrer und Prediger ausgebildet wurden. Zunächst waren drei Jahre und später vier Jahre für die Ausbildung vorgesehen. Man brauchte dazu kein Abitur, sondern nur eine abgeschlossene Berufsausbildung. Zunächst war die Ausbildung für Kriegsrückkehrer gedacht. Sie entwickelte sich aber immer mehr zu einer Möglichkeit der Kirche, ihre Mitarbeiter im Osten Deutschlands selbst auszubilden. Bis auf die alten Sprachen Griechisch, Hebräisch und Latein wurde die Ausbildung nach und nach an die theologische Hochschulausbildung angepasst. Karl Domsch war ein leidenschaftlicher evangelischer Christ. Es brauchte nicht viel Überredung, um ihn dazu zu bewegen, am „Paulinum“ vom 01.10.1956 -31.03.1960 eine Ausbildung als Pfarrer aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen. Der Generalsuperintendent der Kurmark in Potsdam, Walter Braun, hat in einem Brief vom 02.11.1956 nach einer Generalkirchenvisitation im Kirchenkreis Rathenow die Befürchtung geäußert, dass Karl Domsch die Prüfung zum Prediger am Paulinum nicht bestehen würde, während der Superintendent des Kirchenkreises Johannes Reichmuth da kein Zweifel hatte. Karl Domsch bestand die 1. Predigerprüfung am 14.03.1959 und auch die 2. Predigerprüfung am 13.03.1960. Auch den Probedienst absolvierte er von 01.04.1960 - 31.05.1961 erfolgreich. Die Beurteilung des Predigerseminars meinte aber einschränkend: „In der Arbeit ist er willig und beständig, aber mehr fleißig als begabt; in der Beherrschung der deutschen Sprache zeigen sich mitunter bei ihm Mängel, die damit zusammenhängen, dass er im sorbischen Sprachgebiet aufgewachsen ist.“ Der Gemeindekirchenrat von Stechow hatte am 19.10.1960 einstimmig und der Gemeindekirchenrat von Ferchesar am 21.10.1960 dafür votiert, Pfarrer Karl Domsch als Pastor anzustellen, denn sie hatten gerade eine freie Stelle.
Pfarrhaus in Stechow
Und so kam er denn mit seiner Familie nach Stechow und wohnte im Pfarrhaus mit dem großen Garten gegenüber der Dorfkirche von Stechow. Zu seiner Gemeinde gehörten Stechow, Ferchesar, und zeitweilig auch Semlin, Kriele und Landin.
Dorfkirche Stechow
Er war etwas verwachsen und seine Zähne waren so schrecklich schief gewesen, dass der Zahnarzt große Mühe hatte, ihm ein einigermaßen vernünftiges und ansehnliches Gebiss zu bauen. Er konnte auch nicht singen und begleitete die Gemeinde bei den Kirchenliedern im Gottesdienst mangels eines Organisten auf der Flöte. Der Evangelische Kirchenkreis Rathenow hatte immer Mangel an Theologen und war froh, als Karl Domsch sich um eine Stelle bewarb. Er bekam die Pfarrstelle in Stechow mit allen umliegenden Dörfern, wozu auch Landin gehörte. Als Wilhelm und Marie Brunow am 20.05.1970 ihre Goldene Hochzeit in Stechow feierten, segnete er sie noch einmal in der Stechower Dorfkirche und sprach ihnen ihren Trauspruch zu: “Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal; haltet an am Gebet!“ (Brief des Paulus an die Römer 12,12).
Goldene Hochzeit von Erika und Willi Brunow 20.05.1970
Pastor Karl Domsch mit dem Goldenen Paar vor der Stechower Kirche
Für die Goldene Hochzeitstrauung wurde eine Urkunde ausgestellt, wie das in Preußen so üblich ist. Dem Ehepaar Brunow wurde in herzlichem Gedenken diese prachtvolle Urkunde überreicht und mit dem Siegel der Kirche zu Stechow versehen.
Urkunde zur Goldenen Hochzeit
Stechow, den 20.05.1970
Aber er war wohl ein besserer Maurer als ein Theologe. Es gab an den Dorfkirchen immer viel zu reparieren und ehe er sich auf lange Verhandlungen mit den volkseignen Bauunternehmen einließ, griff er schnell selbst zur Kelle und mauerte was das Zeug hielt. Dafür bewunderten ihn auch die Menschen in den Gemeinden. Er predigte zu den Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen und sprach den Menschen Mut zu. Er versuchte immer auf die Menschen einzugehen und sich ihrer Probleme anzunehmen. Hertha Brunow aus Landin war sowohl Kirchenälteste in Landin als auch Mitglied in der Kreissynode des Kirchenkreises Rathenow und stellte in den Wintermonaten ihren Gastraum der „Gaststätte Muchow“ für die Gottesdienste in Landin zur Verfügung. Pfarrer Karl Domsch kam gern nach Landin, denn er wusste, Elfriede Müller aus Kriele fehlte nie in den Gottesdiensten und begleitete die Gemeinde beim Gesang auf dem Klavier. Hertha Brunow ließ an den Pfarrern kein gutes Haar. Es gab immer etwas zu kritisieren. Mal war die Auslegung der Bibeltexte nicht nach ihrem Eindruck gelungen, mal war die Predigt zu lang und manchmal warf sie den Pfarrern vor, völlig falsche Predigten besonders bei den Beerdigungen gehalten zu haben. Nur bei Pfarrer Karl Domsch machte sie eine Ausnahme, denn Pfarrer Karl Domsch schmeichelte ihr bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. „Ach Fräulein Brunow, das haben Sie aber wieder schön gemacht. Vielen Dank, Fräulein Brunow, dass Sie alle eingeladen haben. Ich unterstütze ihren Antrag auf der Kreissynode und so weiter.“ Man war sich einig gegen die atheistische Regierung und auch einig bei der Kritik an der Leitung des Kirchenkreises Rathenow. Zwischen dem Pfarrer Hartmut Grünbaum, als Chef des Kirchenkreises Rathenow, gab es heftige briefliche Auseinandersetzung. Die Landeskirche Berlin-Brandenburg gab ja eine Ordnung für die evangelischen Kirchengemeinden heraus und forderte natürlich, dass man sich daranhielt. Pastor Karl Domsch hielt die Ordnung der Landeskirche auch für wichtig, nahm es aber nicht so genau damit, sodass Pfarrer Hartmut Grünbaum ihn schriftlich aufforderte, das Wort Gottes zu verkünden und nicht den ganzen Tag zu mauern. Er schrieb an den Pfarrer Grünbaum:“ Es steht geschrieben im Brief des Paulus an die Thessalonicher (1,4) : „Arbeitet mit euren eigenen Händen, wie wir euch geboten haben.“ Dann schrieb der Pfarrer Grünbaum zurück, ja, aber es steht auch in der Offenbarung des Johannes (2,2): “Ich weiß deine Arbeit.“ Und dann schrieb der Pfarrer Karl Domsch wieder mit einem Bibelwort zurück. Es war eine endlose Geschichte. Wie damals Martin Luther vor dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wollte Pfarrer Karl Domsch nichts anerkennen, was nicht durch die Worte der Bibel gedeckt war. Und so gab die Kirchenleitung schließlich entnervt auf und ließ ihn mauern. Als er das Rentenalter erreicht hatte, zog er mit seiner Frau 1976 nach Gelsenkirchen-Buer und genoss den Wohlstand des Westens. Er war wohl sieben Mal in Israel und kehrte immer wieder mit neuen Glaubenseindrücken aus dem Heiligen Land zurück. Er lud auch Hertha Brunow aus Landin mehrmals ein, ihn in Gelsenkichen-Buer zu besuchen und verwöhnte sie bei ihrem Kommen mit ausgesuchter Gastfreundschaft. Er blieb seinen alten Gemeinden herzlich verbunden, auch wenn er nie mehr wirklich in die DDR zurückwollte. Pfarrer Karl Domsch hielt auch so Kontakt mit seiner Gemeinde uns schickte regelmäßig Urlaubskarten an seine Schäfchen.
Pfarrer Karl Domsch fühlte sich im Gelsenkirchen-Buer wohl und lebte mit seiner Frau Martha in enger Verbundenheit mit seinen alten Gemeinden, aber er nutzte auch den Wohlstand und die Freiheit im reichen westlichen Teil Deutschlands, um viel zu reisen und die Welt anzuschauen, die ihm in der DDR verschlossen war. Getreu dem alten Volkslied „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“ , besuchte er nun die Stätten seiner Sehnsucht und immer wieder flog er nach Israel, wo er sich Gott ganz nahe fühlte. Am 10.01.1992 starb er in Gelsenkirchen-Buer, beweint und betrauert von seiner Frau, den Kindern und vielen Menschen in Ost und West.
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.06.2020