Marlene Dühr spendete Kanzelstifterbrief Nr. 3 am 18.03.2021
Marlene Dühr aus Eschwege spendete am 18.03.2021 den Kanzelstifterbrief Nr. 3 (50,00 €) für die Nachschnitzung der Barocken Kanzel in der Sankt-Marien-andreas-Kirche in Rathenow. Der Förderkreis bedankt sich bei Marlene Dühr für ihre Spende. Marlene Dühr, geboeren Pomtow, ist am 21.04.1933 in Rathenow geboren. Ihr Vater Heinz Pomtow stammte aus Göttingen. Er war Rittmeister im Reiterregiment 3 der Garnison in Rathenow und heiratete in Rathenow Adelheid Muth, die Tochter von Emil Muth. Die Familie Pomtow wohnte in der Forststraße 46/47. Adelheid Muth war das sechste Kind von Emil Muth und seiner Frau Anna Muth, geborene Schönemann. Die Bäckerei Schönemann befand sich am Alten Rathaus. Emil Muth war Geschäftsführer bei der Optikfirma Nitsche&Günther. Marlene Dühr zog mit einem Jahr 1934 mit ihren Eltern nach Berlin, weil der Vater dorthin versetzt wurde. Sie war aber oft in Rathenow bei den Großeltern und Rathenow ist ihr so zu einer zweiten Heimat geworden. Ihr Bruder Eberhard wurde 1934 in rathenow geboren und ihreSchwester Sigrid 1941 in Berlin. 1943 zog die Mutter wegen der Bombenangriffe auf Berlin wieder zurück zu ihren Eltern nach Rathenow. Dort erlebten Marlene Dühr den den Einmarsch der sowjetischen Truppen 1945. Die Familie verlor dabei ihr Haus und alles Hab und Gut. Unter der sowjetischen Besatzung änderte sich die soziale Stellung der Familie Muth. Weil Emil Muth als Mitinhaber der otischen Firma "Nitsch&Günther" als Kapitalist eingestuft wurde. Emil Muth wurde verhaftet, kam aber nach drei Wochen Gefängnis wieder frei, sprach aber nie über die Haft. Marlene Dühr ist als Marlene Pomtow 1947 von Superintendent Heimerdinger in der Lutherkirche konfirmiert worden. Der Großvater Emil Muth hatte viel dazu beigetragen, dass die Lutherkirche zu einem Gemeindezentrum ausgebaut werden konnte, denn vor der Nutzung als Kirche war sie eine Fabrik. Der Vater von Marlene Dühr befand sich in amerikanischer Kriegesgefangenschaft und und wurde in die britische Besatzungszone entlassen, wo er zu seinen Eltern nach Göttingen ging und die Familie bat, zu ihm zu kommen. Nach den Erfahrungen mit der Inhaftierung seines Schwiegervaters Emil Muth durch die Russen, hatte er Furcht nach Rathenow zu kommen. So floh die Mutter mit ihren Kindern 1948 nach Göttingen zu ihren Schwiegereltern, wo Marlene Dühr, weil sie aus der Sowjetzone geflohen war, verwehrt wurde, das Gymnasium zu besuchen. Sie absolvierte daher die Mittelschule (10.Klasse) in Göttingen und ging an die Universitätsklinik in Göttingen und erlernte den Beruf einer Kinderkrankenschwester. Sie traf in Göttingen Hartmut Dühr, der Soziologie und Theologie an der Universität studierte und heiratete ihn und zog als Pfarrfrau mit ihm nach Duisburrg, wo er eine Stelle als Pfarrer bekam. Heute wohnt sie in einer Seniorenresidenz in Eschwege.
Barocke Kanzel 1709
Die Barocke Kanzel war das Spätwerk von Johann Vorberg, die er 1709 in Rathenow anfertigte. Johann Vorberg kam aus Reval (Livland). Reval ist der deutsche Name für die heutige estnische Hauptstadt Tallin. Er lebete in der Altmark, wo er 1697 Maria Ahrens in der St. Marienkirche in Stendal heiratete. Er hat die Kanzeln in Kalbe an der Milde und 1694 in Neuendorf am Damm geschnitzt. Sein Meisterwerk ist aber die Barocke Kanzel in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow, die zwei Kanzelkörbe besaß und überreich verziert war. Den Hauptkorb der Kanzel trug Mose mit den zwei Tafeln mit den 10 Geboten. Er gilt als Begründer des Gesetzeskanon der Juden und auch die Christen habe mit dem Alten Testament weitgehend die Gesetze der Juden übernommen. Gott selbst hat dem Mose die 10 Gebote mit Feuer in die Tafeln gebrannt. Sie sind auch heute noch weltweit die Grundlage des Zusammenlebens von Menschen, denn sie bedeuten Frieden und gegenseitigen Respekt im Umgang miteinander. Der zweite Kanzelkorb wird von einer blumenumkränzten Säule getragen. Der Aufgang zur Kanzel und beide Kanzelkörbe sind mit den 12 Aposteln geschmückt.
Die zwölf Apostel stehen auf einem Podest, das den Namen des entsprechenden Apostels vermerkt. Jeder Apostel steht in einer halbrunden Nische und hat die Insignien bei sich, der ihn als solchen kenntlich macht. Sebastian Haase hat von senem Großvater Karl-Heinz Maess hochauflösende Fotos von 1930 geerbt, die der Rathenower Fotograf Hermann Ventzke anfertigte und die eine Zuordnung der einzelnen Apostel im Aufgang und um die beiden Kanzelkörbe ermöglichten.
Die 12 Apostel der barocken Kanzel
Kanzelaufgang (von unten)
1. Heiliger Bartholomäus (rechte Hand Schindermesse, linke Hand Buch)
2. Heiliger Matthäus (rechte Hand mit Schreibfeder, linke Hand ein aufgeschlagenes Buch)
3. Heiliger Lucas (rechte Hand aufgeschlagenes Buch, linke Hand umfasst einen Griff mit Tierfigur) Name am Podest zu lesen S. Lucas
4. Heiliger Petrus (rechte Hand mit Buch, linke Hand mit Himmelsschlüssel) Name am Podest zu lesen S. Petrus
Säulenkorb (von links)
1. Heiliger Andreas mit Andreaskreuz
2. Heiliger Judas Thaddäus (rechte Hand ein Buch, linke Hand eine Lanze) Name am Podest zu lesen S. Judas
3. Heilige Simon (rechte Hand ein Buch und linke Hand eine Säge) Name am Podest zu lesen S. Simon
Mosekorb (von links)
1. Heiliger Thomas (rechte Hand zeigt leer nach oben, linke Hand mit Buch) Name am Podest zu lesen S. Thomas
2. Heiliger Jakobus der Ältere mit Schwert (Maurentöter) Das Schwert fehlt auf manchen Fotos.
3. Heiliger Johannes (Rechte Hand mit Buch, linke Hand mit Kelch) Name am Podest zu lesen S. Johannes
4. Heiliger Philippus Rechte Hand mit Buch , linke Hand mit Axt) Name am Podest zu lesen S. Philippus
5. Heiliger Jakobus der Jüngere (in der rechten Hand ein Buch, linke Hand eventuell Tuchwalkerstange) Keine Symbole auf den Fotos exakt zu erkennen.
Über dem Hauptkanzelkorb ist ein Baldachin geschnitzt, auf dem den segnende Christus steht. Die Firma Spatzier in Wiesenburg (Mark) hat sich auf solche Kunstwerke spezialisiert und würde für 1.090.000,00 € die Barocke Kanzel nachschnitzen.
Dieses einzigartige Kunstwerk wurde während des Brandes 1945 vom einstürzenden Dach der Kirche völlig zerstört. Der Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bemüht sich gegen den Widerstand des Landesdenkmalschutzes, dieses einmalige barocke Meisterwerk wieder zum Lobe Gottes aufzubauen. Für uns ist die Haltung der Denkmalschutzbehörde nicht nachvollziehbar. Es gibt ja beim Denkmalschutz in Deutschland zwei Richtungen. Eine Strömung möcht nach Möglichkeit die Kunstwerke original wiederaufbauen, so dass man es nach ein paar Jahren vom ursprünglichen Kunstwerk nicht mehr unterscheiden kann. Eine zweite Strömung möchte sich wohl immer selbst ein Denkmal setzen und verlangt nur zeitgenössische Darstellungen oder Darstellungen wo der Zeitgeist zu erkennen ist. Der Förderkreis neigt mehr zu den Befürwortern der ersten Richtung, die nach Möglichkeit die Kunstwerke so wieder aufbauen möchte, wie sie der Künstler geschaffen hat. Da kann man nur beten, dass die Brandenburger Denkmlschutzbehörden einen Sinneswandel erfahren werden.
Copyright. Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 02.06.2021