Biografie von Friedrich Heinrich Ernst von Wrangel
Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel wurde als dieser Spross einer baltischen Adelsfamilie am 17.04.1784, noch zu Lebzeiten des „Alten Fritz“, in Stettin geboren. Sein Lebensweg war praktisch schon bei seiner Geburt festgelegt. Das Geschlecht derer von Wrangel lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen; mehr als 30 Generäle hatte es hervorgebracht. Mit 12 Jahren wurde Friedrich Soldat, im 25. Lebensjahr war er Rittmeister. Seine weitere militärische Karriere war in mehrfacher Hinsicht einmalig: Er wurde Preußens jüngster General, nahm mit 86 Jahren noch am Deutsch-Französischen Krieg (der 1871 zur Reichseinigung führte) teil, diente insgesamt 80 Jahre lang als Militär unter vier preußischen Königen und starb hoch betagt mit 93 Jahren am 01.11.1877 friedlich in seiner Berliner Wohnung am Pariser Platz. Wrangel war Träger aller preußischen Orden: Eisernes Kreuz, Pour le Merite, Schwarzer Adlerorden … Ihn hatten die vielen Kriege berühmt gemacht, in denen er Befehlsgewalt hatte. Tollkühn war er, Todesverachtung sagte man ihm nach. Mit Recht: Tausende Soldaten haben seinen Ruhm mit ihrem Leben bezahlt; sie mussten „auf dem Feld der Ehre“ in jungen Jahren sterben. Friedrich Graf von Wrangel ist wie sein Zeitgenosse Otto von Bismarck Ehrenbürger Rathenows geworden. Das ist für uns ein Grund, noch etwas genauer auf den Lebensweg eines Mannes zu blicken, der zu unserer Geschichte gehört. Als Bismarck sich mit den konservativen Männern unserer Stadt gegen die Revolutionäre von 1848 verbündete, war Wrangel Oberbefehlshaber von 10 000 Soldaten geworden, die in Berlin mit aller Gewalt die monarchistische Ordnung wieder herstellen sollten. In Berlin tobten wilde Barrikadenkämpfe. Die Familie Wrangels lebte mitten in der preußischen Hauptstadt, als der General von Wrangel den Einmarsch nach Berlin befahl. Beim Passieren der Stadtgrenze waren seine Gedanken bei seiner Frau. „Ob se ihr jetze woll uffjehangen haben?“ fragte er die ihn begleitenden Offiziere. Dieser Satz ist geschichtsträchtig geworden. Wie sein berühmter Preußenkönig Friedrich II. sprach der Herr von Wrangel nur „Kutscherdeutsch“. Die Sprache Lessings, Schillers und Goethes war ihm fremd. Und wie sein Namensvetter konnte er kalt und herzlos sein. Das bewies er auch gegenüber einem seiner Söhne, der als junger Offizier einen hohen Schuldenberg angehäuft hatte. Als der seinen Vater um Hilfe bat, wurde er auf die Ehrlosigkeit eines solchen Handelns hingewiesen. Der Vater sagte sich von seinem Sohn los und forderte ihn auf, sich seiner Pistolen zu bedienen. Der Sohn erschoss sich dann auch „befehlsgemäß“. Solche Ehrbegriffe sind für uns heute nicht mehr nachvollziehbar. Die Frau von Wrangel wurde übrigens nicht „uffjehangen“, wohl aber hatten die Revolutionäre viele Tote zu beklagen. Noch heute gibt es den „Friedhof der Märzgefallenen“ im Berliner Volkspark Friedrichshain mit ca. 250 Gräbern. (Ein späterer Spross der großen Familie Wrangel wurde zaristischer General in Russland und kämpfte während der Oktoberrevolution gegen Lenins Bolschewiki. Im belgischen Exil wurde er dann wahrscheinlich von sowjetischen Agenten vergiftet.) Der Graf von Wrangel hatte nach einer kurzen Zeit des „Kriegsrechts“ die preußische Hauptstadt wieder „im Griff“. Versteht sich, dass er seitdem die ganz besondere Zuneigung der preußischen Krone genoss. 1850 wurde er Berliner Ehrenbürger. 1856 beging er sein 60jähriges Soldaten-Dienstjubiläum, da zeichnete ihn der preußische König mit dem Titel „Generalfeldmarschall“ aus – und unsere Stadt Rathenow, die Garnisonsstadt, ernannte ihn zum Ehrenbürger. Mit Otto von Bismarck, der bekanntlich die Adelsherrschaft zeitgemäß reformieren wollte und das zu einem Teil auch durchgesetzt hat, verstand sich Friedrich von Wrangel in den späteren Jahren nicht mehr. Von seinen letzten Lebensjahren wird berichtet, dass er mit Bonbons in den Taschen durch die Straßen Berlins ging und die Kinder damit beschenkte. Die Berliner Bevölkerung würdigte diese Volkstümlichkeit und nannte ihn nun „Papa Wrangel“.
Copyright: Peter Kurth, 10.03.2011