Wiederaufbau des Kirchenschiffs von 1946 -1959
Hannelore Scharnbeck
geborene Müller
(*07.07.1934 - † 16.02.2022)
Nach dem Beschuss durch Brandgrananten in der Nacht vom 28.04.1945/29.04.1945 brannte die Kirche ca.eine Woche lang. Zuerst wude der Turm in Brand gesetzt. Da der Küster vergessen hatte, die Brandtür zum Schiff zu schließen, breitete sich die Feuerbrunst auch auf das Schiff aus und zerstörte den Dachstuhl komplett. Nach dem ersten Tag des Friedens in Rathenow am 08.05.1945 und nachdem ein wieder normales Leben möglich war, begann die Gemeinde sofort mit der Enttrümmerung des südlichen Seitenschiffs, das auch ab 1949 für kleine Andachten und Taufen wieder benutzt wurde.
Erster Gottesdienst in der enttrümmerten Kirche
29.06.1952
Pfarrer Friedrich Korth im Chorraum
Der erste Gottesdienst am 29.06.1952 war für die Christen in Rathenow auch ein Zeichnung der Hoffnung. Nachdem die Verbrechen und Lügen der Nazis so viele Menschen in Deutschland verführt hatten und Tod und Armut über die Bevölkerung gebracht hatten, klammerte man sich an den Glauben und an Gott. Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten, sagt ein altes Sprichwort. Und viele Menschen wagten damals den Neuanfang, auch wenn die Köpfe noch voll von den hetzerischen Propagandareden der Nazis waren. Die Deutschen lernten, dass auch andere Völker Werte hatten, die höher zu schätzen waren, als die Nazis es sie gelehrt hatten und dass man Gott und seine zehn Gebote als oberste Instanz anerkennen soll und nicht den Parolen von selbsternannten Heilsbringern glauben soll. Der Jude Jesus Christus ist für evangelische und katholische Christen Gott und oberste Instanz. Auch heute (2022) versuchen falsche Propheten uns gegen Ausländer aufzuhetzen. Erneut wollen sie wieder Hass und Zwietracht und Neid schüren. Als Christen sind Menschen aus dem Islam Gleichgesinnte, die ebenso an den Gott Abrahams glauben wie die Christen. Eine ganze Generation von Menschen war von 1933 -1945 das Opfer einer Bande von skrupellosen Verbrechern geworden, denn die Nazis brachten Tod, Armut und Verlust der Heimat für unzählige Menschen. Sie verführten die Menschen mit ihren nationalistischen Hassparolen und waren doch nichts weiter als widerwärtige Despoten und Mörder.
Erster Gottesdienst 29.06.1952 mit Pfarrer Friedrich Korth
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
Pfarrer Friedrich Korth
Erster Gottesdienst nach der Enttrümmerung
29.06.1952
Der 06.09.1959 ist ein besonderes Datum in der Geschichte der Sankt-Marien-Andreas-Kirche. Nach der Zerstörung im April 1945 konnte vor 50 Jahren der Abschluss des Wiederaufbaus der Kirchturmes, allerdings ohne Spitze und des Kirchenschiffes mit einem festlichen Gottesdienst gefeiert werden. Bis dahin war es ein weiter Weg voller Mühen gewesen, die heute kaum noch vorstellbar sind. Aus den inzwischen alt gewordenen Akten, Rechnungen, Notizen und Briefen ist ersichtlich, dass die Verantwortlichen der Gemeinde, Superintendent Georg Heimerdinger und der Gemeindekirchenrat schon 1946 überlegten, wie kann die zerstörte Kirche wieder für die Gemeinde nutzbar gemacht werden.
Als in Rathenow in den letzten Kriegstagen erbittert gekämpft wurde, fiel auch die über 700 Jahre alte Kirche in Schutt und Asche. Als erstes brannte der Turm, bald auch das Kircheschiff vollständig aus. Die ersten Überlegungen gingen dahin, dass das am besten erhaltene südliche Seitenschiff überdacht werden sollte, um dadurch eine Notkirche zu gewinnen. Durch den Zustrom vieler Flüchtlinge aus den Ostgebieten waren die Gottesdienste in der Lutherkirche und in der Friedhofskapelle überfüllt; ein zusätzlicher Gottesdienstraum war dringend nötig. Der Architekt Scheibel wurde für das Vorhaben gewonnen, die nötigen Anträge an die Stadtverwaltung gestellt und sich um Bauholz aus den Kirchenforsten bemüht. Ein Jahr später, am 04.07.1947, fasste der Gemeindekirchenrat den Beschluss, den Kirchturm als Tauf- und Traukapelle auszubauen. Bis zur Währungsreform 1948 waren bereits 57.000,00 RM (Reichsmark) an Spenden gesammelt worden. Um diese vor der Abwertung zu retten, wurde das Wohnhaus in Rathenow, Puschkinstraße 24, gekauft. In den Überlegungen des eingeschränkten Aufbaues war auch das Konsistorium durch das Kirchliche Bauamt einbezogen. Dieses schlug die Überdachung des gesamten Kirchenschiffes vor, um den Verfall der stehen gebliebenen Außenmauern und der Pfeiler aufzuhalten. Der Chorraum sollte aus Kostengründen ausgeschlossen bleiben. Es begann die Enttrümmerung der Ruine. Gemeindemitglieder und Mitarbeiter leisteten 5.238 nachgewiesene freiwillige Arbeitsstunden, in denen 62 Kubikmeter Mauerwerk abgebrochen, 560 Kubikmeter Schutt aus der Ruine geschafft und 38.000 Stück Klosterformatsteine und Stücke abgeputzt und gestapelt wurden. Staatlicherseits wurde der Wiederaufbau ab 1950 in den Nuschke-Plan als denkmalswerter Kirchenbau aufgenommen; das bedeutete Unterstützung und Material-Sonderzuteilungen. Insgesamt stellte die staatliche Denkmalbehörde bis 1959 über das Nuschke-Referat 120.000,00 DM zur Verfügung. Im Protokoll des Gemeindekirchenrates ist zu lesen, dass zuerst der Turm wieder hergestellt werden sollte, dann die Andreaskapelle, dass Kritik an der Arbeit der Architekten geübt wurde, der eines Tages nach West-Berlin verschwand und die Bauunterlagen nur mit großer Mühe wiederbeschafft werden konnten. Die Bauleitung wurde zuerst nur für den Turm, später für das ganze Projekt dem Baumeister Hugo Grabsch übertragen. Am 20.10.1951 genehmigte die Kreisverwaltung den Beginn der Bauarbeiten und in einem feierlichen Gottesdienst wurde am 04.11.1951 in der Kirchenruine um Gottes Segen für das Vorhaben gebetet.
Im Januar 1952 beschloss der Gemeindekirchenrat, den Turm ohne Spitze aufzubauen, auf das gotische Gewölbe des Mittelschiffes zu verzichten, ebenso auf die Seitenemporen. Auch die Errichtung einer Tauf- und Traukapelle wird weiterverfolgt. Das Kirchendach sollte in seiner hohen Form wiederhergestellt werden, um einen späteren Einbau der Gewölbe zu ermöglichen. Durch den romanischen Rundbogen sollte das Kirchenschiff vorerst abgeschlossen werden.
Erster Gottesdienst 1952
in der von Schutt beräumten Kirche
Vorsitzender des Bauausschusses war Pfarrer Friedrich Korth. Sein Einsatz und seine Beharrlichkeit, trotz aller Schwierigkeiten den Wiederaufbau voranzutreiben, war und ist bewundernswert. Mal fehlten Zement und Kalk, dann ergab ein Gutachten, dass die aus Bützer angelieferten Dachsteine zu schwach gebrannt und unsortiert waren und ausgetauscht werden mussten. Um Mauersteine zu gewinnen, wurden aus einer Ruine in der Ruppiner Straße Steine geklopft. Drahtnägel, Lackfarbe, sogar Sandschippen wurden durch das Hilfswerk aus dem Westen erbeten. Die Einfuhr musste der Rat des Kreises genehmigen. Immer wieder fehlte Geld. Gemeindeglieder wurden aufgerufen, Darlehen ab 500,00 DM zur Verfügung zu stellen. jedes Jahr mussten Lizenzen beim Rat des Kreises neu beantragt werden, um überhaupt Baumaterialien beschaffen zu können. Zwischendurch wurden die Bauarbeiter abgerufen und bei der Erstellung von Siedlungshäuser für die Neubauern eingesetzt. Die größte Mühe war wohl, die Genehmigung für die benötigten 135 Festmeter Holz für das Kirchendach zu bekommen. Das Domforstamt Seelensdorf durfte erst liefern, nachdem es sein vorgeschriebenes Staatssoll erfüllt hatte.
Richtefest
Am Pfingstsonntag 1957 fand ein Dankgottesdienst statt. Der Rohbau war geschafft. Der Kirchturm war mit neun Stockwerken ausgestattet, im neuen Glockenstuhl hingen die alte wieder gefundene Bronzeglocke und zwei Stahlglocken, die 1953 geliefert wurden; das Dach des Langhauses war eingedeckt, eine flache Decke ersetzte das Gewölbe im Mittelschiff, die Kreuzgewölbe der Seitenschiffe waren durch eine Stralsunder Firma ausgebessert und ergänzt worden, die Fenster hatten eine Bleiverglasung erhalten. Es fehlten noch der Fußboden und die gesamte Innenausstattung und das Geld dafür. Da half das Gustav-Adolf-Werk mit der Konfirmandengabe des Jahres 1958, die fast 80.000,00 DM erbrachte. Immer wieder wurde mit der Firma Viernow in Stralsund Kontakt gehalten, ob Gewölbe doch noch einzuziehen sei. Doch die Bemühungen um Beihilfen beim Konsistorium und der staatlichen Denkmalbehörde blieben dafür erfolglos. Auf Bitten von Pfarrer Friedrich Korth wurde die Turmuhr vom Rat des Kreises gestiftet. Schließlich konnte der Tag der Einweihung mit dem 06.09.1959 festgelegt werden, aber das Zittern um die Fertigstellung dauerte bis zuletzt, denn einen Tag vorher wurden die letzten Kirchenbänke geliefert. Über 550 Sitzplätze verfügte nun die Kirche. 900 Besucher feierten die Einweihung, die der Generalsuperintendent D. Braun vornahm. Pfarrer Friedrich Korth schrieb in einem Bericht: " Wieviel haben wir hier zu danken! Wieviel sorgsamer Fleiß und mühevolle Arbeit wurde an das Werk gewandt! Wieviel Handwerksmeister haben hier all ihre Kraft und ihr bestes Können in den Dienst der Kirche gestellt! Aber mehr als allen Menschen haben wir dem ewigen Gott und seiner Güte und Barmherzigkeit zu danken, - Ihm, dessen Ehre der nun vollendete Bau verkünden soll und ohne dessen Beistand und Segen alles Menschenwerk nichts fruchtet!"
Das Dach ist fertig
Hannelore Scharnbeck (*07.07.1934 - † 16.02.2022)
Paracelsusstr. 7
14712 Rathenow
Bearbeitung und Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Fotos: Archiv Dr. Heinz-Walter Knackmuß