64-Landin-Klau-Krüger 01.06.2022
Wolfgang Krüger
Am Dorfeingang stand ein altes Häuschen, in dem wohnte eine Familie mit drei Kindern. Der Vater Wolfgang Krüger war Waldarbeiter und arbeitete im Staatlichen Forstbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg. Er hatte eine muskulöse Figur, denn die schwere Waldarbeit trainierte den ganzen Körper und beanspruchte alle Muskeln. Er duftete immer nach grünem Wald und Sägespäne.
Kiefernholzstapel
Wenn er in der Kneipe in Landin saß, zeigte er stolz seinen Bizeps und wollte immer mit den anderen Männern Wetthakeln machen, um ein Bier oder einen Schnaps zu gewinnen. Seine Frau Grethelotte war zierlich, aber sie ließ sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Es war schwer die drei Kinder Gertrude, Sonja und Klaus in diesen Jahren zu ernähren. Das Essen war Mangelware bei der armen Waldarbeiterfamilie und so wurde der Vater doch mehrmals beobachtet, wie er bei den Bauern Eier aus dem Hühnerstall stahl. Auch das Holz, dass er reichlich aus dem Wald anfahren ließ, war wohl nicht nur der Anteil, den er sowieso bekommen hätte, sondern etwas mehr. Mancher der Kiefernstämme aus den großen Holzstapeln im Wald landete auf wundersame Weise auf den Hof von Wolfgang Krüger. Im Dorf nannten ihn daher alle Klau-Krüger. Im Juni 1951, als das ganze Dorf beim Heuen war, soll er sich in den Kaninchenstall der Familie Bauer geschlichen haben und drei Kaninchen gestohlen haben. Als die Familie Bauer abends nach Hause kam, fehlten im Kaninchenstall drei Tiere. Man konnte dem Klau-Krüger nichts nachweisen, aber die Kinder von Klau-Krüger erzählten von einem Hasenbraten, den die Mutter gemacht hatte. Die fleischhungrigen Kinder bekamen selten ein gut gebratenes Stück auf den Teller und das war etwas Besonderes. Der Vater hätte im Wald einen Hasen in der Schlinge gefangen, so erzählten die Kinder. Das war natürlich auch verboten, aber doch am Rande der Legalität. So kam die Geschichte vom Hasenbraten der Krügers auch zur Familie Bauer, die den Braten sofort roch, aber nachweisen konnten man dem Klau-Krüger nichts. Er war außerordentlich vorsichtig. Für die Kinder schlich er sich nachts auf die Kuhweiden und molk heimlich die Kühe, damit man etwas Milch im Hause hatte. Erwischt wurde er dabei nie. Als seine vorgealterte Frau nicht mehr so attraktiv für ihn war, suchte er eine Freundin im Dorf und fand in Juliane Richter eine ideale Partnerin. Juliane Richter hatte einen sehr alten Mann geheiratet und arbeitete mit Klau-Krüger im Wald. Offiziell zeigte Klau-Krüger ihr immer die guten Stellen, wo recht viele Steinpilze und Pfifferlinge wuchsen, denn die kannte er natürlich auch.
Steinpilze
Das ging so lange wie es ging, bis beide das Interesse aneinander verloren. In den Familien blieb diese Liebschaft verborgen, so dachten jedenfalls beide Beteiligten. Aber nichts ist so fein gesponnen, es kommt doch an das Licht der Sonnen. Natürlich hatte der Förster das Pärchen auf einer Lichtung einmal beobachtet. Aber er war nicht der Mann, der auf Klatsch und Tratsch aus war. Die Kinder waren inzwischen alle aus dem Haus und hatten eigene Familien gegründet. Gertrude hatte einen Mann aus Baden-Württemberg geheiratet und kam mit einem Audi aus dem Westen mit ihrer Familie im Sommer immer nach Landin, was für große Aufregung bei der SED und Regierung sorgte, denn dann stand ein Westauto ein paar Wochen vor dem Haus. Seine Frau Grethelotte wurde so gebrechlich, dass sie im Rollstuhl sitzen musste und er schrumpelte so langsam vor sich hin, bis er an einem Schlaganfall starb.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 01.06.2022