67-Landin-Warten vor der Kirche 01.09.2022
Regina und Margot Krohne wuchsen ohne Mutter mit ihrem Vater Reinhold in Landin auf. Die Mutter Martha war nach der Entbindung der jüngsten Tochter wegen einer psychischen Störung in die Nervenklinik nach Brandenburg an der Havel gekommen, wo sie von den Nazis ermordet wurde. Der Vater bekam einen formlosen Brief, dass seine Frau leider an einer Lungenentzündung gestorben war. Er durfte keine Nachforschungen anstellen, aber da sich solche Briefe aus der Nervenklinik häuften, ahnte Reinhold Krohne schon, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Erst nach dem Ende des Krieges 1945 erfuhr er, dass seine Frau wie viele andere psychisch kranke Menschen brutal ermordet worden war. Regina und Margot wuchsen heran und wurden sehr schön. Mit ihren Schulfreundinnen fuhren sie oft mit dem Fahrrad zusammen durchs Dorf und auch nach Kriele oder nach Friesack. Als sie junge Frauen geworden waren, fanden sie auch bald ihren Partner fürs Leben. Regina hatte sich in den Elektriker Hannes Engelhardt verliebt und nachdem sie eine Zeit lang zusammen gegangen waren, beschlossen die beiden, doch zu heiraten und fuhren am Samstag, den 10.06.1961 zum Standesamt nach Nennhausen, wo um 10:00 Uhr die Heiratsurkunde überreicht wurde.
Regina und Hannes Engelhardt
Um 13:00 Uhr waren alle Freunde und Verwandten des jungen Paares zur Trauung in die Kirche nach Landin eingeladen worden. Man wollte Paar für Paar in einem Hochzeitszug vom Haus des Reinhold Krohne zur Kirche gehen.
Der Brautzug
Anschließend sollte die Hochzeit in Gasthaus Muchow gefeiert werden. Es war eine große Hochzeitsgesellschaft, die unter dem Geläut der Glocke zur Kirche schritt. Die Sonne schien so kräftig, dass das Brautpaar und die festlich gekleideten Gäste bald ins Schwitzen kamen. Es war herrliches Wetter. Aber das letzte Stück vor der Kirche stand ja die prächtige Lindenallee, die dem Brautpaar und ihren Gästen doch etwas Schutz vor den sengenden Sonnenstrahlen gab. Als Hannes Engelhardt und seine Frau vor der Kirchentür standen, kam der Küster heraus und sagte, „Der Pfarrer ist aber noch nicht da.“ Hertha Brunow war auch im Brautzug dabei und ging sofort zurück, denn sie hatte ja als eine der Wenigen im Dorf ein Telefon und rief den Pastor Karl Domsch an, der meinte, er hätte den Termin vergessen. In 20 Minuten sei er da. Als Hertha Brunow die traurige Nachricht überbrachte, fiel die Braut beinahe in Ohnmacht und sagte: “Das gibt es doch nicht!“ Ihr Mann tröstete sie aber und streichelte sie über die Wange und sagte: “Es sind ja nur noch zehn Minuten. Die halten wir schon durch.“ So stand der gesamte Brautzug 30 Minuten vor der Kirche und als Pastor Karl Domsch dann mit dem Fahrrad erschien und sich verlegen und mit vielen schönen Worten zu entschuldigen suchte, ging es in die Kirche und der Pfarrer verrichtete sein Werk. Die Braut wollte den Pfarrer bei der Feier nicht mehr sehen, ihr Mann beschwichtigte sie aber und sagte: „Das können wir nicht machen.“ Und so stimmte sie dann grollenden Herzens zu. Nach dem Segen ging der Brautzug zum Gasthof Muchow, wo eine Festtafel im Saal vorbereitet war und eine schöne Hochzeitsfeier stattfand, sodass Regina am Abend mit ihrem Schicksal wieder versöhnt war. Die Gäste hatten sich wohlgefühlt und viel gegessen und noch mehr getrunken. Ihr Mann hatte nach ihrem Geschmack wohl etwas zu viel getrunken, aber sie dachte, es ist unser Hochzeitstag. Das ist ja einmalig.
Hochzeitstafel im Gasthof Muchow
So ging es in die Flitterwochen, die das junge Paar als kleine Hochzeitsreise in den Spreewald führte. Regina war glücklich. Sie war verheiratet und hieß jetzt Regina Engelhardt und war stolz auf ihren neuen Namen.
Hochzeitsreise in den Spreewald
Ihr Mann fuhr jeden Tag zur Arbeit. Er war Elektriker bei der Deutschen Post und es gab Arbeit ohne Ende. Bald kam auch ihr Sohn Egbert zur Welt und sie lebten als glückliche Familie in Landin. Regina hatte mit ihrem Säugling zu tun und arbeitete auf der LPG. Manchmal kam Hannes etwas bierselig nach Hause und berichtete seiner Frau, die Kollegen hätten ihn noch auf ein Feierabendbier eingeladen. Diese Einladungen wurden immer häufiger und nach einiger Zeit kam Hannes Engelhardt fast jeden Tag angetrunken nach Hause. Regina redete mit ihm und er versprach, nicht mehr nach der Arbeit in die Kneipe zu gehen. Aber diese Phasen wurden immer kürzer und zum Schluss gab es nur noch Streit unter den Eheleuten. Regina warf ihm vor, er sei Alkoholiker und solle zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. Hannes bestritt das und wurde richtig böse, wenn am Wochenende kein Bier zu Hause war. Regina war eine couragierte Frau. Sie stellte ihrem Mann ein Ultimatum und sagte zu ihm: „Entweder Du lässt dich behandeln oder ich trenne mich von Dir.“ Hannes versprach auch alles zu tun und bat seine Frau von einer Scheidung abzusehen. Er ging aber nicht zum Arzt und ließ seine nun auch für Regina erkennbare Krankheit nicht behandeln. Es half alles Zureden nichts. Schweren Herzens suchte sie die Rechtsanwältin Anita Graf in Rathenow auf, die die Scheidung auch ohne große Umstände durchsetzte. Hatte der Pfarrer Karl Domsch bei der Trauung schon eine Vorahnung vom Scheitern der Ehe gehabt? Der Chef der Deutschen Post hatte mit Hannes Engelhardt ebenfalls schon viele erfolglose Gespräche wegen seiner Trunksucht geführt. Hannes musste Angst um seine Arbeit haben, denn als Elektriker war es nicht ganz ungefährlich betrunken zu arbeiten. Regina zog aus der gemeinsamen Wohnung aus und wohnte zunächst bei ihrer Schwester Margot. Auf einer Geburtstagsfeier ihrer Schwester lernte sie Joachim Kurth kennen, den sie schon aus der Schule in Kriele kannte und verliebte sich in ihn. Es dauerte nicht lange und man ließ sich auf dem Standesamt in Nennhausen zusammenschreiben. Mit Joachim führte sie eine harmonische Ehe, denn er war ein ruhiger und fleißiger Mann, der seine Frau über alles liebte und ihr jeden Wunsch erfüllte, wenn es ihm möglich war. So wurden sie beide alt und sahen ihre Kinder und Enkelkinder heranwachsen. Regina hatte ihr Glück doch noch in Landin gefunden.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.09.2022