Biografie von Gisela Bartel
Gisela Gudrun Bartel, adoptierte Flügge, geborene Zollenkopf, wurde am 09.06.1937 in Lichtfelde, Kreis Stuhm (Westpreußen) geboren.
Der Vater, Hans Theodor Ernst Zollenkopf war Pfarrer in Lichtfelde und hatte in Königsberg an der Albertus-Universität Theologie studiert. Der Vater war am 14.01.1908 in Freystadt (Westpreussen) geboren worden. Die Geburtsurkunde befindet sich im Familiebesitz.
Nachdem der Vater am 28.09.1932 vor des Prüfungskommission des Evangelischen Konsistorium der Provinz Ostpreußen die erste theologische Prüfung mit dem Prädikat „im ganzen gut“ bestanden hatte, erhielt er am 22.10.1932 vom Konsistorium die Urkunde, mit der er ins Vikariat nach Gardienen gehen konnte. Am 27.09.1934 legte er vor der Prüfungskommission des Evangelischen Konsistoriums der Provinz Ostreußen die zweite theologische Prüfung erfolgreich ab und konnte sich nun auf eine Pfarrstelle bewerben.
Hans Zollenkopf
Die Mutter Charlotte Zollenkpf, geborene Dallach, hatte in Königsberg an der Albertus-Universität Philologie studiert und dort ihren späteren Mann kennengelernt. Sie war nach dem Studium ein Jahr lang Hauslehrerin in Wargenau bei Cranz (Ostpreußen). Sie unterrichtete damals die 13jähriger Beate Köstlin, die später als Beate Uhse ein Verkaufsimperium mit Sexartikeln aufbaute. Ein Zeugnis von 1932 gibt darüber Auskunft.
Otto Köstlin Wargenau, den 29.IX.1932
Wargenau
Post und Bahn Cranz Ostpr.
Fernruf Cranz 25
Postscheckkonto:
Königsberg Pr. 3297
Frl. Charlotte Dallach hat vom 20.I.32 an unsere 13j. Tochter im Pensum der Untertertia (Fremdsprachen: Englisch, Latein) unterrichtet. Sie hat das lebhafte Kind zu fesseln verstanden und erreicht, dass es jetzt bei der Wiedereinschulung auf der Höhe der Klasse ist. Frl. Dallach hat sich auch außerhalb des Unterrichts, besonders sportlich, mit ihrem Zögling beschäftigt und hat sich die Zuneigung des Kindes erworben. Frl. Dallach war uns ein lieber Hausgenosse – wir wünschen ihr beim Scheiden alles Gute für die Zukunft.
Frau Dr. Köstlin
Charlotte Zollenkopf
Nach der Heirat arbeitete die Mutter als Lehrerin in Lichtfelde. Gisela Bartel wuchs mit ihrer älteren Schwester Liselotte Käte Zollenkopf, geboren am 03.01.1936 auf. Die Eltern von Giesla Bartel gehörten den „Deutschen Christen“ an. Die „Deutschen Christen“ (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte. Viele evangelischen Christen in Deutschland erlagen damals den Verführungskünsten der Nazis. Die 1934 gegründete Bewegung der „Bekennenden Kirche“ versuchte innerhalb der Reichskirche eine vom Evangelium geprägte Kirchenstruktur aufzubauen. Ein Schriftstück zur Wahl des Hans Zollenkopf als Pfarrer der Gemeinde Lichtfelde, zeigt durch die Unterschrift mit „Heil Hitler!“ wie tief die Verblendung der Menschen reichte.
Evangelisches Pfarramt Mgr., den 26.8.1935
Lichtfelde, Krs. Stuhm
Fernruf 28
Herrn Hilfsprediger Hans Zollenkopf
Gardienen
Im Auftrag des Gemeindekirchenrates Lichtfelde teile ich Ihnen hierdurch mit, daß Sie in der ordnungsgemäßen Sitzung der kirchlichen Körperschaften am 25.08.1935 mit 15 Ja –und 0 Neinstimmen, also einstimmig, zum Pfarrer der Gemeinde gewählt worden sind.
Siegel Heil Hitler!
der Kirchengemeinde I. A. B. Malz
Lichtfelde cand. theol.
Weihnachten 1944
in Lichtfelde (Westpreußen)
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Gisela Bartel wurde am 25.07.1937 vom Vater in Lichtfelde getauft.
Kirche in Lichtfelde
1943 wurde Gisela Bartel in die Volksschule in Lichfelde eingeschult. Der Vater Hans Zollenkopf fiel am Ladogasee in Russland. Es war für Gisela Bartel wichtig, bei einer Feierstunde in Sologubowka am 01.08.2010 dabei zu sein, um von ihrem Vater Abschied nehmen zu können. Sie flog mit anderen Angehörigen nach Sankt Petersburg und legte 67 Jahre nach seinem Tode fünf rote Rosen an eine Stele, wo auch der Name Hans Zollenkopf (* 01.04.1908 – †12.08.1943) eingraviert war. Der Altbundeskanzeler Gerhard Schröder war auch unter den Gästen und hielt zur Feierstunde die Gedenkansprache, weil sein Vater, der in Rumänien gefallen war, durch den Volksbund der Kriegsgräberfürsorge gefunden wurde. Der Volksbund der Kriegsgräberfürsorge hatte auch die russisch–orthodoxe Kirche „Mariä Himmelfahrt“ in dem kleinen Dorf wieder aufgebaut, sodass sie der Dorfbevölkerung zur Verfügung steht. In ihren Gewölben sind die Namenslisten der dort beigesetzten 80.000 deutschen Soldaten einzusehen.
Wehrpass des Vaters
Die Mutter und ein Kindermädchen machten sich mit den beiden Kindern im Januar 1945 auf den Weg nach Borna bei Leipzig. Die Mutter war schon schwerkrank und starb im Juni 1945 an einem Krebsleiden. Das Kindermädchen sorgte nun unter schweren Umständen für die beiden Waisenkinder bis sich ein Rechtsanwaltehepaar in Sangerhausen fand, das die beiden Mädchen 1946 aufnahmen. Da die Frau aber an eienr psychischen Erkrankung litt, nahm sie ein Onkel Lothar Zollenkopf in Mecklenburg auf, der selbst vier zum Teil schon erwachsene Kinder hatte und in Muchow Pfarrer war.
Weihnachten in Muchow 1946
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Er zog auch noch die vier Kinder seiner verstorbenen Schwester auf, sodass insgesamt zehn Kinder im Haushalt zu betreuen waren. Als einmal in einem Kirchlichen Amtsblatt darüber geschrieben wurde, fand sich 1948 ein ehemaliges ostpreußisches Pfarrerehepaar Flügge nun in Rehfelde bei Strausberg, die nur eine eigene Tochter Dorothea hatten, aber gern noch zwei Kinder adoptieren wollten. Als Hildegard Flügge die Familie in Muchow besuchte, fiel den beiden Kinder sofort die Ähnlichkeit zur verstorbene Mutter auf und man vereinbarten erst einmal einen Besuch während der großen Ferien in dem Pfarrhaus Rehfelde bei Berlin. Doch aus dem Ferienbesuch wurde eine Adoption für die beiden Geschwister Liselotte und Gisela und so lebten sie dann mit ihrer neuen zwei Jahr jüngeren Schwester Dorothea in Rehfelde. Die drei Kinder verstanden sich großartig miteinander.
Rehfelde - Weihnachten 1948
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Die Adoptiveltern gehörten unter den Nationalsozialisten zu den Bekennenden Christen und brachten für die beiden Schwestern ganz neue Auffassungen in ihr Leben.
Ehepaar
Hildegard und Theophil Flügge
Natürlich besuchte Gisela Bartel die Grundschule in Rehfelde und beendete dort 1951 die 8. Klasse. 1951 war sie von ihrem Adoptivvater Theophil Flügge in Rehfelde konfirmiert worden. Ihr Konfirmationsspruch lautete: „ Ich will dir geben die heimlichen Schätze und die verborgenen Kleinode, auf dass du erkennest, dass ich dich bei deinem Namen rief, da du mich noch nicht kanntest. (Jesaja 45,3-5) Von 1951 – 1953 ging sie zur Oberschule in Waldsieversdorf. Wegen der Zugehörigkeit zur Jungen Gemeinde (Jugendverband in den Evangelischen Kirchen) wurde sie allerdings am 02.05.1953 von der Schule geworfen. Nach dem Arbeiteraufstand am 17.06.1953 in der DDR (Kommunister Ostteil von Deutschalnd nach dem Zweiten Weltkrieg) durfte sie aber wieder die Oberschule besuchen und schloss dort auch mit der 10. Klasse ihre Schulbildung ab. 1954 war sie ein Jahr lang im elterlichen Haushalt tätig und trat am 10.01.1955 in das Diakonissenhaus-Mutterhaus Potsdam- Hermanswerder ein.
Gisela Bartel als Diakonisse
Von 1957 – 1959 besuchte sie die Krankenpflegeschule in Genthin und arbeitete danach von 1959 -1964 als examinierte Krankenschwester und Diakonisse im Infektionskrankenhaus Potsdam-Hermannswerder. Ihr Examen als Krankenschwester hatte sie mit Auszeichnung bestanden. Die Arbeit machte ihr große Freude, obwohl sie am liebsten mit behinderten Menschen gearbeitet hätte.
von links: Gisela Bartel mit Schwester Dorothea Hallmann
und Schwester Lieselotte bei der Hochzeit
von Dorothea am 02.05.1964
Ab 1964 übernahm sie die Aufgaben der Oberschwester im Infektionskrankenhaus Potsdam-Hermannserder und erwarb berufsbegleitend 1966 die staatliche Qualifikation zur leitenden Schwester.
Gisela Bartel mit ihren Geschwistern
rechts Liselotte und links Dorothea
Weihnachten 1955
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Der DDR-Staat bot für alle Diakonissen zwar die volle Bezahlung als Krankenschwestern an, weil sie die gleichen Aufgaben und noch mehr als die staatlich angestellten Schwestern erbrachten. Doch das Diakonissenmutterhaus lehnte das ab, weil man dachte, nun in staatliche Abhängigkeit zu geraten. Außerdem gehörte Armut zu den drei Grundsätzen des Lebens im Diakonissenhaus. So arbeiteten die Diakonissen für eine kleines Taschengeld. Die Leitungstätigkeit erforderte eine Gradwanderung zwischen den Satzungen des Mutterhauses, dem Respekt vor der hervorrangenden Arbeit, der immer kleiner werdenden Schar der Diakonischen Mitschwestern und den Rechten der immer größer werdenden Zahl an staatlichen Mitarbeitern. Ein Teil dieser Schwestern wollten unter einer konfessionellen gewerkschaftlich nicht organisierten Oberschwester nicht arbeiten, da diese ihre Interessen nicht vertreten konnte. Diese konflikt führte letztendlich dazu, dass Gisela Bartel sich zum 31.12.1975 von der Schwesternschaft löste. Ab 15.01.1976 nahm sie eine Arbeit als Krankenschwester in der Fachklinik für Lungenkrankheiten Beelitz–Heilstätten auf, wo sie zuletzt als Stationsschwester auf einer onkologischen station arbeitete. Sie war nach Fichtenwalde umgezogen und hatte ein kleines Eigenheim erworben. Sie war im Gemeindekirchenrat der Kirchengemeinde Fichtenwalde und Synodale im Kirchenkreis Lehnin. 1980 erwarb Gisela Bartel die Qualifikation als Fachkrkankenschwester für Pulmologie. Von 1985 -1990 war sie gewähltes Mitglied der Synode der Landeskriche Berlin-Brandenburg.
Geht doch.
Eine Anekdote um Manfred Stolpe
Das Leben veränderte sich, als sie einen Brief von einer Freundin erhielt, die sie bat Kontakt mit dem 63jährigen ehemaligen Fuhrunternehmer Siegfried Bartel aus Rathenow aufzunehmen, dem seine Frau nach viezigjähriger Ehe gestorben war und der nun sehr allein wäre. Gisela Bartel streubte isch dagegen. Sie wollte nicht vermittelt werden, sondern sie wäre gern gefunden worden. Aber die Freundin ließ nicht locker und so stimmte sie einem unverbindlichen Treffen zu. Als sie aber zum geplanten Termin schwer erkrankte und ein Antibiotikum einnehmen musste, telefonierte sie mit dem Fuhrbetrieb in Rathenow und sagte einen Tag vor dem Treffen einer Mitarbeiterin den Termin ab. Zum vereinbarten Termin klingelte es aber an ihrer Haustür und Siegfried Bartel stand mit einem Blumstrauß und einem Geschenkkorb vor der Tür. Gisela Bartel sagte zu ihm:“ Hat man Ihnen nicht ausgerichtet, dass ich die Begegnung abgesagt habe? Ich bin krank und kann wirklich keinen Besuch empfangen.“ „ Doch“, erwiderte der Mann, „das hat man mir ausgerichtet. Aber von meiner Cousine weiß ich, dass Sie allein leben. Als ich nun hörte, dass Sie krank sind, da war ich der Meinung, dass sich doch jemand um Sie kümmern muss. Ich habe alles in diesen Korb gepackt, was man als kranker Mensch brauchen kann. Und nun wünsche ich Ihnen gute Besserung.“ Siegfried Bartel drehte sich um und ging zum Auto. Voller Dankbarkeit, Rührung und Staunen ließ er Gisela Bartel zurück. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schrieb ihm den ersten Brief. Aus dieser ersten Begegnung entwickelte sich doch eine tiefe Bindung und am 15.01.1988 gab Gisela Bartel ihre Tätigkeit als Stationsschwester in der Fachklinik für Lungenkrankheiten Beelitz-Heilstätten auf und zog nach Rathenow zu Siegfried Bartel. Am 28.04.1989 traute sie ihre Schwester Pfarrerin Dorothea Hallmann in der Dorfkirche in Hohennauen (Kreis Rathenow). Der Trauspruch lautete: „Gott spricht: ich will mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.“ (Josua 1,5-6) Sie nahm keine neue Tätigkeit auf.
Gisela Bartel mit ihrem Mann Siegfried
(2008)
Nach der Einheit Deutschlands meldete sie sich arbeitslos und bewarb sich bei der Sozialstaion des Diakonischen Werkes in Rathenow. Da sie gern Krankenschwester war, stellte sie das Diakonische Werk in Rathenow für die Hauskrankenpflege ein. Vom 01.08.1991 – 31.12.1993 baute sie die Hauskrankenpflege des Diakonischen Werkes in Rathenow auf. Dann musste sie sich wegen Berufsunfähigkeit ihre Tätigkeit aufgeben.
Sie arbeitet heute gern in ihrer Evangelischen Hoffnungskirchengemeinde im Elb-Havel-Winkel mit und webt und spinnt mit einem Team von Frauen. Eine besondere Kunst ist das Weben von Paramenten. Das sind künstlerisch aufwendig gestaltete Textilien, die in den Kirchen als Altardecken oder Decken für die Kanzel benutzt werden. Der Name leitete sich aus dem Lateinischen „para mentum“ (den Geist bereiten) oder „para mensam“ (den Tisch bereiten) her. Die Weberinnen und Weber bedürfen dazu der inneren Einkehr und des Gebetes. Gisela Bartels Anliegen ist es, dass auch kleine Gemeinden neue Paramente oder Antependien (Altarvorhänge) erhalten. Die Paramente von Gisela Bartel werden diesen hohen Anforderungen gerecht.
Kanzelschmuck
Jeder Künstler, der Paramente anfertigt, hat natürlich eine Signatur. Die Kreuze, die sich als Saum auf den Paramenten befinden, sind die heimliche Signatur von Gisela Bartel.
Seit 2015 verwendete sie auch liturgische Texte für ihre Paramente. Die Farben der Paramente richten sich nach dem Festkalender im Kirchenjahr:
1. Lila Advent und Passion
2. Weiß Weihnachtsfest, Ostern, Christi Himmelfahrt
3. Rot Pfingsten, Konfirmationen, Reformationstag, alle Gemeindefeste
4. Grün Trinitatisfest und den ganzen Sommer hindurch
Altardecke für das Pfingstfest
Kanzelschmuck für das Pfingstfest
Gisela Bartel-Zollenkopf hat 2003 ein Buch mit dem Titel „Der zerbrochene Ring“ herausgegeben. Sie beschreibt darin ihre ost-westpreußische Familiengeschichte und hat aus Tagebuchblättern ihrer Mutter Charlotte Zollenkopf, aus Briefen und eigenen Erinnerungen eine fesselnde Zeitgeschichte verfasst, die man nicht eher aus der Hand legt, bis man sie ausgelesen hat.
Das Buch kann bei Gisela Bartel, Genthiner Str. 21, 14712 Rathenow, Tel.:03385-509283 bestellt werden.
Gisela Bartel liest aus ihrem Buch.
1. Weihnachten in Lichtfelde (Westpreußen) 1944
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2. Weihnachten in Muchow (Mecklenburg) 1946
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3. Weihnachten in Rehfelde bei Berlin (Brandenburg) 1948
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4. Weihnachten im Diakonissenmutterhaus (Potsdam-Hermannswerder) 1955
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Am 23.03.2015 trat sie dem Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. bei, weil sie den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörten Kirche ihrer jetzigen Heimatstadt unterstützen möchte.
Gisela und Siegfried Bartel
01.07.2007
im Hof der Lutherkirche in Rathenow
Gisela Bartel stellte am 09.09.2016 die Kreativgruppe "Die Spinn-Weben" in einer Geschichtskonferenz in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche diese Gruppe vor.
Sie hat für eine kleine Gruppe von Menschen am 10.06.2015 in ihrem Garten ein Fest gegeben, wo die Spinn-Weben ihre Arbeiten vorstellten. Die “Spinn-Weben” sind ein kleiner Verein unter dem Dach der Evangelischen Kirche, die hobbymäßig spinnen und weben und ihre Produkte auch verkaufen. Es war ein buntes Treiben im Garten der Bartelschen Familie und es war schönes Wetter. Ein sehr gelungenes Fest.
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 10.06.2015
80. Geburtstag von Gisela Bartel am 09.06.2017
Gisela Bartel feierte am 09.06.2017 ihren 80. Geburtstag. Sie hatte alle Verwandte, Freunde und Spinnerinnen und Weberinnen nach Garz (Havelberg) eingeladen, um dort bei herrlichem Sommerwetter am 10.06.2017 mit ihr zu feiern. Es waren wohl an die 100 Gäste gekommen und es gab eine große Freude beim Wiedersehen, denn viele hatten sich lange nicht mehr gesehen. Ihre Schwester, Pfarrerin Dorothea Hallmann, aus Cottbus leitete dann ein festliches Konzert ein, was zu ihren Ehren unter der Regie von Hanna Seefeld in der kleinen Dorfkirche Garz gegeben wurde. Das Altartuch und das Kanzeltuch in dieser Kirche stammen von den fleißigen Händen Gisela Bartels, die eine Gabe hat, diese Parammente zu weben. Das war dann der krönende Abschluss aller Feierlichkeiten, die drei Tage andauerten. Es hatte sich auch ein kleiner Projektchor mit Pfarrerin Katrin Brandt gegründet und so erklang zu Beginn "Lobe den Herren." Es gab viele Kanons und natürlich eine Reminiszenz an die Heimat von Gislea Bartel - Ostpreußen, den ein anderer Chor sang: "Abends ziehen Elche von den Dünen, von der Palve (Heide) an des Haffes Strand" von Heinrich Eichen und Gerd Lascheit. Die Jubilarin war zu Tränen gerührt. Gisela Bartel spendete die Säulensteine Nr. 10846 -10849 für den Wiederaufbau der der drei Kreuzgewölbe im Chorraum der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow. Der Förderkreis bedankt sich für die Spe
1. Lobe den Herrn
2. Pfarrerin Dorothea Hallmann (Cottbus)
3. Reminiszenzen an Ostpreußen
Abends ziehen Elche von den Dünen von der Palve* an des Haffes Strand.
und die Nacht wie eine gute Mutter deckt ihr Tuch wohl über Haff und Land.
Ruhig trinken sie vom großen Wasser, darin Sterne wie am Himmel stehn.
Und sie heben ihre starken Köpfe lautlos in des Sommerwindes Wehn.
Ruhig ziehen wieder sie von dannen, Tiere einer längst vergangnen Zeit.
Und sie schwinden in der Ferne Nebel wie im großen Tor derEwigkeit.
(Text von Heinrich Eichen *15.08.1905 - † 30.05.1986) vertont von Gerd Lascheit
*Palve=ostpreussisch Heide
Dreh dich, dreh dich Rädchen!
Spinnerfest in Rathenow-West am 16.06.2018
Ingrid Bartel am Spinnrad
Die Gruppe „Die Spinn-Weben“ mit Gisela Bartel an der Spitze zeigte bei einem „Bunten Tag rund um die Kirche“ am 16.06.2018 von 11-16:00 Uhr auf dem Gelände der Kirchengemeinde Rathenow-West, wie man spinnen, weben, filzen, kardieren und klöppeln kann. Als Kardieren bezeichnet man das Herstellen eines Vliesstoffs. Die fertigen Jacken, Schals und Hüte wurden in einer kleinen Modenschau vorgestellt und jeder konnte entscheiden, ob er eine Merino-, Mohair- oder Alpakajacke kaufen wollte. Pfarrerin Katrin Brandt hatte den Tag mit einer Begrüßung um 11:00 Uhr begonnen und sang mit der Gemeinde das Sommerlied von Paul Gerhardt „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben.“ Am Lustigsten ging es bei der Tombola zu, wo Sylvia Köpke-Rißland alles an die Frau oder den Mann brachte und mit ihrem Charme die Menschen umgarnte. Der Havelspinner, Rainer Wittenburg, aus Garz hatte ein altes Butterfass mitgebracht und startete zum Vergnügen der Besucher ein Schaubuttern, wobei er viele Geschichten von der Butter zu erzählten wusste. Janine Haufe zeigte mit Schülern ihrer Tanzgruppe auf einer kleinen Bühne im Freien Gedankentänze, die sehr ausdrucksstark waren. Es wurde auch gesungen und erzählt. Viele kleine Stände boten zum Verkauf etwas an. Pfarrerin Katrin Brandt hatte es sich nicht nehmen lassen einen eigenen Saft zu kreieren. Die Kinder konnten mit Silke Schmidt und Beate Albrecht malen und basteln. Die Strickfrauen strickten um die Wette an Socken, Strickjacken und Handschuhen, denn der nächste Winter kommt bestimmt. Es gab Kaffee und Kuchen und auch herzhafte Dinge wie Bratwurst und Salate. Das Wetter war sommerlich warm, fast schwül, aber die alten Bäume im Pfarrgarten der Gemeinde boten auch ausreichend Schatten vor den Sonnenstrahlen. Es war ein Kommen und Gehen und eine ganz angenehme Atmosphäre bei diesem Fest der „Spinn-Weben“ im Kirchgarten von Rathenow-West. Um 15:30 Uhr ging es dann in den Kirchsaal. Pfarrerin Katrin Brandt erteilte den Reisesegen und bedankte sich bei den vielen fleißigen Helfern.
Kirchsaal in Rathenow-West
Es war ein schönes Fest und es wird überlegt, ob die Spinner und Weber sich nicht jedes Jahr in diesem Pfarrgarten treffen könnten.
Ehrung des bürgerschaftlichen Engagements
Gisela Bartel ganz links in der Staatskanzlei Potsdam am 18.01.2020
mit der Kulturministerin Dr. Manja Schühle (3. von rechts)
Gisela Bartel war wegen ihres ehrenamtlichen Engagement am 18.01.2020 zu einem Empfang in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg in Potsdam vom Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke eingeladen worden. Gisela Bartel gehört dem Verein "Die Spinn-Weben" an. Was sie aber allein anfertigt, sind Paramente (Altardecken). Sie hat eine Gabe die Altardecken zu gestalten und webt sie nach ihren Vorlagen.
Altardecke Sanctus (Heilig)
Gisela Bartel feierte am 11.06.2022 in der Gaststätte "Zum alten Hafen" in Rathenow, schon von Krankheit gekennzeichnet, mit ihrer Familie und vielen Freunden ihren 85. Geburtstag, wo sie um eine Führung durch die Sankt-Marien-Andreas-Kirche bat und von ihren Gästen eine Spende zum Wiederaufbau des Gotteshauses. Dabei kamen 550,00 € zusammen und der Förderkreis überreichte ihr den Stifterbref in Bronze Nr. 85.
Am 27.06.2022 nahm Gott, gelobt sei sein Name, sie in sanftem Schlaf zu sich. Ein langes Krankenlager blieb ihr erspart. Wir sind dankbar, dass Gott sie 1937 ins Leben rief und sie hat mit der Veröffentlichung ihrer Familiengeschichte unter dem Titel " Der zerbrochene Ring" ein Stück ihrer Lebens der Nachwelt hinterlassen. Am 21.07.2022 wurde sie auf dem Friedhof in Rathenow-West zur letzten Ruhe gebettet. DIe Trauerfeier stand unter dem Psalmwort:
Ich will dir heimliche Schätze geben und verborgenen Kleinode,
damit du erkennst, das ICH der HERR bin,
der dich beim Namen ruft.
(Psalm 45,3).
Pfarrerin Katrin Brandt zeichnete in der Friedhofshalle in Rathenow-West den Lebensweg von Gisela Bartel nach und wie Gott sie nach Rathenow geführt hat, wo sie wie ein Baum erblühte. Es war eine dramatische Feier, weil bevor die Urne zur letzten Ruhestätte getragen werden konnte, ein Mann bewusstlos umfiel und erst der Notarzt gerufen wurde, um ihn dann doch in die Klinik zu bringen. Es war ein schwülheißer Tag in Rathenow und in der Trauerhalle war es noch wärmer als im Freien. Die 70 Trauergäste geleiteten die sterblichen Überreste dann zur Grabstelle, wo sich Gisela Bartel noch drei Lieder ewünscht hatte:
1. Müde bin ich geh zur Ruh
2. Jesus meine Zuversicht
3. Christ ist erstanden
Gisela Bartel hatte verfügt, dass auch zu ihrer Trauerfeier statt Blumen und Kränze eine Spende für den Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche erfolgen sollte. Dabei kamen 1630,00 € zusammen . der Föderkreis vergab zu ihrem Gedenken dafür die Stifterbriefe in Bronze Nr. 86 - 88.
© Copyright : Dr. Heinz-Walter Knackmuß 28.06.2022
Nachklang in der Presse
Rathenow, 31.07.2022
Pressemitteilung
Gisela Bartel aus Rathenow feierte am 21.06.2022 mit vielen Gästen noch ihren 85. Geburtstag in der Gaststätte „Zum Alten Hafen“ und hatte sich eine Führung durch die Sankt-Marien-Andreas-Kirche gewünscht und ihre Gäste um eine Spende an den Förderkreis für den Wiederaufbau des Gotteshauses gebeten. Dabei waren 550,00 € zusammengekommen und der Förderkreis überreichte ihr den Stifterbrief in Bronze Nr. 85. Sie wusste schon am Geburtstag um das Fortschreiten ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung und so hatte sie verfügt, dass zu ihrer Trauerfeier erneut für den Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche gesammelt werden sollte. Gut 14 Tage nach ihrem Geburtstag am 27.06.2022 nahm Gott, gelobt sei sein Name, sie zu sich. Bei der Trauerfeier am 21.07.2022 spendeten die über 70 Trauergäste 1500,00 €. Der Förderkreis vergab dafür im Gedenken an Gisela Bartel die Stifterbriefe Nr. 86-88 in Bronze. Gisela Bartel war eine vehemente Förderin des Wiederaufbaus der Sankt-Marien-Andreas-Kirche und hatte viele Gaben, die sie auch dazu führten, einen Verein „Die Spinn-Weben“ zu gründen, denn sie webte für ihr Leben gern Antependien. Antependien sind reich verzierte Stoffvorhänge für die Altäre und Kanzeln in einer Kirche. Sie hatte als Diakonisse das Weben in Potsdam-Hermannswerder gelernt und hatte ihr ganzes Leben lang diese Kunst in ihrer Freizeit weitergeführt. Sie war eine fröhliche, humorvolle Frau, die auch gern Witze erzählte. Ihr Gedächtnis war bis ins hohe Alter gefüllt mit Geschichten und Begebenheiten aus ihrem Leben. Die Lebensgeschichte ihrer Familie hat sie in einem kleinen Buch veröffentlicht. Als sie von ihrer Gemeinde als Vertreterin in die Landessynode Berlin-Brandenburg (Kirchenparlament) gewählt wurde, war sie sehr stolz und freute sich, dass in der DDR auch dieses Wahlamt als gesellschaftliche Tätigkeit anerkannt wurde und sie dafür keine Urlaubstage opfern musste. Damals war Manfred Stolpe als Kirchenjurist für die Organisation der Synode zuständig und achtete auch darauf, dass alle Beschlüsse mit den Gesetzten der DDR nicht kollidierten. Seine Aufgabe war es auch die morgendlichen und abendlichen Andachten, die meist von den Pfarrern oder teilnehmenden Theologen gehalten wurden, zu planen. Eines Tages kam er zu ihr und sagte ihr: „Ich bitte Sie morgen Abend die Andacht zu halten.“ Alles Widerstreben half ihr nichts. Sie sagte: „Ich bin doch nur eine Krankenschwester. Es sind so viele Theologen hier versammelt. Ich kann das nicht.“ Aber Manfred Stolpe beharrte auf seiner Entscheidung und so gab sie nach langem Hin und Her nach. Sie machte dann auch eine wunderbare Andacht und sang mit den Synodalen das Abendlied: „Abend ward, bald kommt die Nacht, schlafen geht die Welt; denn sie weiß, es ist die Wacht über ihr bestellt.“ Die Synodalen waren alle begeistert von dieser Andacht. Am nächsten Morgen kam beim Frühstück Manfred Stolpe an ihren Tisch und sagte zu ihr: „Na geht doch!“ Wir sind dankbar, dass durch Gisela Bartel die Sankt-Marien-Andreas-Kirche wieder ein bisschen mehr zum Lobe Gottes aufgebaut werden kann.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 31.07.2022
Antependien für Linum und Tarmow
Copyright: Kevin Kama, 27.06.2023